Carries komische Werkstatt
  Villa de lune
 


Kapitel 4 - Villa de lune

Mit einem Quietschen öffnete ich die alte Holztür und ging ein paar Schritte über einen Kiesweg. Die Luft roch nach Gewitter und ich wusste, bald würde es zu regnen anfangen. Vor mir erstreckte sich eine Grünfläche mit kahlen Bäumen und Sträuchern. Zwischen ihnen standen Grabsteine. Die meisten standen schief und lehnten sich in verschiedene Richtungen. Vom Wind verwittert und gebeugt. Der Nebel kroch dicht über dem Boden durch die verwachsene Landschaft. Vertrocknete Zweige hingen bedrohlich von den Bäumen hinab, und formten sich zu spitzen scharfen Krallen. Kein einziger Vogel war zu hören. Nur ein ständiges Rascheln im Gebüsch, das kaum sichtbar war. Ich trat auf den Rasen und meine Füße, die in den viel zu dünnen Schuhen steckten, sanken leicht ein. Ich konnte spüren, wie meine Schuhe die Feuchtigkeit aufsogen und an meine Füße weitergaben. Ich ging zu einem der Grabsteine, dem ich mich von der Hinterseite näherte. Ich legte meine rechte Hand auf den etwa 1,20 Meter hohen Grabstein, und ging um ihn herum. Meine Hand glitt dabei über den kalten, feuchten Granit. Stumm stellte ich mich vor den Stein, der majestätisch aus dem Gras herausragte, und las die Inschrift: ~Hier liegt mein Weib. Gott sei Dank. Bis in dieses Grab hat sie gezankt, Lauf, lieber Leser, schnell von hier, sonst steht sie auf und rauft mit dir.~ Ich lächelte. Damals hatten die Leute wirklich noch Humor. Die streitbare Gattin war 1689 verstorben. Ich ging zu dem durch den Wind und Alter völlig verwitterten Stein, der gleich neben dem anderen stand. Seine Inschrift war kaum noch lesbar. ~Die Kinder Israels wollten Brot, und der Herr schickte Ihnen Manna. Der alte Andrei Târiceanu wollte eine Frau, und der Teufel schickte ihm Doina~ Ich lachte. Der arme Andrei war 1712 gestorben und somit wohl von seiner Frau erlöst worden.
Ich drehte mich um und ging an mehreren Grabsteinen, deren Inschriften kaum noch zu erkennen waren, vorbei Richtung alte Villa, die ich schon von weiten habe sehen können. Hier war der Boden mit braunen Blättern bedeckt und es roch nach Herbst. Modrig und nass. In Richtung Villa wurde der Nebel etwas dünner und die hohen eckigen Fenster wurden sichtbar. Vor allen Fenstern hingen dicke rote Gardinen. Der Wind, der mich zum schütteln brachte, zerrte an meinen schwarzen Haaren und ich umschlang meinen Körper mit meinen Armen, um mich etwas vor dem beißenden Wind zu schützen. Ich lief vom nassen Rasen auf den Kiesweg, der zu dem Gebäude führte. Bei jedem Schritt machten meine Füße in den Schuhen Schmatzgeräusche. Neben dem Eingang blühte eine späte Rosenart. Ich zog eine dicke Blüte zu mir, schloss die Augen und sog den süßlichen Duft ein. Ein paar Wassertropfen fielen mir auf das dünne Kleid. Ich pflückte die Blüte und ging langsam zu der Pforte. Vorsichtig drückte ich auf die Klinke und die Tür ließ sich tatsächlich öffnen. Ich öffnete den Eingang soweit, dass ich gerade noch durch den Spalt passte. Rasch schloss ich die Tür hinter mir, als ich in die Villa geschlüpft war. Unruhig schritt ich über den alten Holzboden der unter meinen Füßen knarrte, und die kleinen Absätze meiner Schuhe klackten gleichmäßig und meine Schritte waren deutlich zu hören. Staunend sah ich mich in diesem Prachtbau um. Die Villa war groß. Riesig. Einfach nur gigantisch. Erstaunt blieb ich vor einem mit rotem Samt bezogenen, vergoldeten und verschnörkelten Sofa stehen. Links und rechts von der Garnitur führten zwei Steigen zu einer weiteren, die mich in das nächste Stockwerk brachten. "Ob hier einst Feste veranstaltet wurden?" fragte ich mich laut, während ich die Treppe hinauf ging und hinunter starrte. //Bei meinem ersten Ball, tanzte ich in solch einem ähnlichen Saal.// dachte ich stumm in meinen Gedanken. Als ich oben angekommen war, lehnte ich mich gegen das blau gestrichene Geländer und starrte hinunter in den Eingangsbereich, den man von hier oben hervorragend sehen konnte. Links von mir stand noch ein hübsches Sofa, dass rot bezogen war und rechts von mir war ein riesiger Türrundbogen, der in einen recht kurzen Flur, der gut ausgeleuchtet war führte. Gerade als ich mich trödelnd über den Fußboden bewegte, hörte ich ein seltsames Geräusch, das von ganz aus der Nähe zu mir herüber kroch. Erschrocken fuhr ich herum und sah mich angestrengt um. Nichts, rein gar nichts war zu sehen, dass das Geräusch vielleicht hätte ausgelöst haben können. //Vielleicht war es einfach nur der Wind, der von draußen gegen die Fensterscheiben schlägt.// hoffte ich und ging weiter langsam durch den Raum. Doch plötzlich war ein leises Stöhnen und ein Fauchen zu hören. Erneut sah ich mich um. Doch es war wieder nichts zu sehen. Unsicher ging ich einige Schritte rückwärts, stolperte auf einmal über einen Teppich und schlug mit dem Rücken auf den harten Boden. Als ich die Augen, die ich während dem Sturz zusammengekniffen hatte, öffnete, starrte ich an die Decke. Ich schrie laut und sprang rasch auf. "Oh mein Gott!" rief ich in voller Panik. Über mir an der Decke hing eine blasse Frau, deren Augen blutrot waren und sie Blickte mich mit ihren weit aufgerissenen Augen an. "Na endlich!  Mein Abendessen ist gekommen." sagte sie mit rauer Stimme, nachdem sie auf den Boden gesprungen war. Mein Atem ging schnell und mit einem wild pochenden Herz wich ich einige Schritte zurück. "Komm her meine Liebe. Es wird auch ganz bestimmt nicht weh tun." sagte sie und streckte die Arme aus. "Verschwinde!  Lass mich in ruhe." rief ich und legte die Stirn in Falten. "Dann muss ich dich halt holen kommen.." murmelte die blasse Vampirfrau, fauchte einmal laut und kam anschließend auf mich zu gerannt. Während wir kämpften, zeigte sie mir immer wieder ihre im Kerzenschein glänzenden und spitzen Zähne. Kräftig zog sie mir am Arm und versuchte mich an sich heran zu ziehen, doch es gelang ihr nicht, da ich mich zu sehr wehrte. Doch plötzlich konnte ich eine Stimme hören, die von einem Mann stammte und sagte: "Hey!  Lass sie ihn ruhe!" Erschrocken sah sie sich um und ehe sie sich versah, sprang eine große Katze auf sie zu und zerkratze ihr das zarte und makellose Gesicht. Mit einem lauten Schrei verwandelte sich die Vampirlady in eine Fledermaus und flüchtete rasch. Erleichtert darüber, dass sie geflohen war, lehnte ich mich gegen eine Wand und ließ mich langsam zu Boden sinken. "Du solltest ein wenig vorsichtiger hier sein. Du bist hier an einem sehr gefährlichen Ort gelandet." sagte die seltsame Männerstimme. Unsicher blickte ich mich um. Doch niemand außer der riesigen Katze und mir war hier zu sehen. Mit weit aufgerissenen Augen sah ich das Kätzchen an. "Du.. Du kannst reden!" murmelte ich erstaunt. "Was du nicht sagst." sagte der Kater darauf und verschwand in dem gut ausgeleuchteten Flur. Nachdem ich mich noch einmal unsicher umgeschaut hatte, sprang ich auf und rief dem Wollknäul hinterher: "Warte!  So warte doch." Schnell lief ich in den Durchgang, doch das Tier war spurlos verschwunden.

Langsam ging ich durch den Flur und sah mich immer wieder um. Vor einem riesigen Fenster blieb ich stehen. Der Himmel, aus dem silbern goldenes Licht drang, war grau und kalt. Plötzlich schlugen einige kleine Tropfen gegen die Fensterscheibe, es begann zu regnen und ein Blitz zerriss den Himmel, worauf ein lauter Knall zu hören war. Kurz ließ ich meinen Blick über den Friedhof, den ich von hier aus gut sehen konnte, schweifen. Der Wind pfiff und brauste zwischen die Äste der kahlen Bäume. Einige Zeit lang starrte ich unaufhörlich aus dem schmutzigen Fenster hinaus, auf den mit dicken Gewitterwolken verhangenen tiefgrauen Himmel. Immer und immer wieder prasselte der Regen gegen die Glasscheiben und verschmierte den staubigen Schmutz. Ich ging, als einige Zeit verstrichen war, durch den zweiten großen Türrundbogen, der am Ende des Gangs war und landete in einem weiteren Flur. Links und rechts waren viele alte Türen und mir wurde etwas unwohl, als ich mich umschaute. Denn mir war klar, dass dies hier die Behausung von Vampiren war. Plötzlich war etwas seltsames zu hören und wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür, die zu meiner linken war, ruckartig. Ein riesiger Mann, der etwa fünfzig Jahre alt war, trat heraus und sah mich finster an. Er hatte schulterlanges rotes Haar und einen etwas längeren Bart. "Geh weg von mir du Teufel!" rief er laut, währenddessen er ein riesiges Kruzifix vor sich hielt. "Wa.. Was? Aber!" Ich wich einige Schritte zurück, bis ich schließlich nicht mehr weiter konnte, da hinter mir eine Wand war. Wenige Meter vor mir blieb er stehen. Er starrte mir in die Augen. Sein Blick war klar und durchdringend. Er sprach leise, einen Satz, fast ohne zu gestikulieren: "Du bist anders, mein Kind, anders als die meisten Vampire sind." Während er dies sagte, hob er leicht seine Nase in die Luft. "Du bist kein Vampir, hab ich recht mein Mädchen? Oder bist du etwa doch einer, und möchtest mein Blut kosten?" fragte er, krempelte seinen hochstehenden Kragen herunter und warf sein gigantisches Kreuz beiseite, dass er in seiner rechten Hand hielt. "Aber ich bin, bin doch gar kein Vampir..." rief ich entsetzt. "Was tust du denn hier? Es ist ein sehr gefährlicher Ort hier, du solltest dich wieder auf den Heimweg machen, Kindchen." sagte er leise und steckte seinen Holzpflock, den er in seiner linken Hand hielt zurück in die Tasche seines langen braunen Mantels. "Nein!  Ich muss Dracula töten..!" murmelte ich erst leise, doch ich wurde von Wort zu Wort immer lauter. Der Ältere lachte laut auf und sagte: "Ach mein Mädchen. Überlasse dies lieber solchen Leuten wie mir." "Solchen Leuten wie Ihnen überlassen?" murmelte ich leise und sah den Fremden fragend an. "Ja. Ich bin ein sehr gut ausgebildeter Vampirjäger und bis jetzt habe ich schon an die achtzig Stück zerlegt." prahlte er. "Wenn ich in meine Heimat zurück kehre, werden die Leute bestimmt sehr Stolz auf mich sein." fügte er rasch hinzu. Er starrte mich mit seinen smaragdgrünen Augen seltsam an und fragte schließlich nach einiger Zeit: "Sprich, wie ist Dein Name?" "Stela!" antwortete ich ihm nur knapp. Überrascht von der knappen Antwort fragte er weiter: "Wo kommst du her, Stela?" Ich senkte meinen Blick und antwortete: "Ich komme aus Târgoviste.." Lächelnd trat der Alte näher an mich heran, um mich etwas genauer zu betrachten. Er stand nun direkt vor mir und sah mir in die Augen. "Du hast etwas schlimmes erlebt, stimmts?" fragte er und strich mir mit der Hand über die Wange. Die ganze Sache war mir alles andere als geheuer. Ich blickte ihn kurz unsicher an, senkte meinen Blick aber gleich wieder, als ich bemerkte, dass er mich noch immer anstarrte. Der Mann wich einige Schritte zurück und sagte lachend: "Verzeih mir, mein Kind. Ich wollte dich nicht beschämen. Oh, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Câtâlin. Câtâlin Lenor." Er verbeugte sich leicht und lächelte wieder zu mir herüber. Doch plötzlich öffnete sich eine der Türen und ein großer silberhaariger Mann trat heraus. Ich erstarrte. Jegliche Glieder wurden taub, als ich dem Vampir in die Augen blickte. Er lächelte kalt, trat auf mich zu, nahm meine rechte Hand in seine und küsste sie. "Câtâlin, möchtest du mir nicht dieses bezaubernde Mädchen vorstellen!?" fragte er und sah sich kurz über die Schulter. "Ähm.." begann der Vampirjäger und lockerte den Kragen seines Hemdes. "Cosmin, das ist Stela... Stela, das ist Cosmin. Du brauchst keine Angst vor ihm haben. Er ist anders als die meisten Vampire. Cosmin wird dir nichts tun, nicht wahr?" Der Silberhaarige nickte stumm und sah mich mit seinen eisigen Augen an, fast so, als ob er mich mit seinem Blick aussaugen wöllte. Nun herrschte eine unangenehme Stille, die mich sehr unsicher machte. Schweigend stand ich dort gegen die Wand gelehnt, den Blick zu Boden gesenkt. Doch dann sprach der Vampir mit dem silbernen Haar: „Deine Kleidung ist ja ganz nass!“ Er sah sich kurz um und fügte dann schnell hinzu: „Ich werde dir trockene Kleider zusammensuchen und du Câtâlin bringst sie in das Zimmer dort unten, am Ende des Flurs. Dort kann sie vorerst bleiben... Ohne Angst haben zu müssen.“ Mit diesen Worten verschwand Cosmin wieder in dem Zimmer, aus dem er gekommen war. Der Vampirjäger mit dem langen braunen Mantel seufzte und sagte leise: „Komm mit Kind. Ich bring dich zu deinem Zimmer, wo du dich fürs Erste ein wenig ausruhen kannst.“ Mit langsamen und leisen Schritten begann er davon zu gehen, doch als er bemerkte, dass ich ihm nicht folgte, blieb er stehen und drehte sich um. „Hab keine Furcht. Cosmin und ich werden dir nichts tun. Auch wenn Cosmin dir mürrisch, impertinent und ein wenig eisig vorkommt, er ist es nicht. Er ist ein netter junger Mann, der einfach nur Angst davor hat zu lieben oder geliebt zu werden... Aus dem Grund lässt er kaum jemanden an sich ran.“ sprach der Mann und lächelte sanft. „Angst?“ wiederholte ich leise, starrte die Tür an, hinter der sich der seltsame Vampirjüngling aufhielt und dann folgte ich Câtâlin schließlich. „Warum hat er davor Angst?“ fragte ich leise und ging einen Schritt schneller, damit ich zu dem Alten aufholen konnte. „Warum hat er denn nun Angst?“ fragte ich erneut ungeduldig und blickte neugierig aus dem Augenwinkel zu dem Mann hinüber. Es dauerte einige Zeit, bis Câtâlin mir eine Antwort gab. „Naja... Cosmin hat die meisten Menschen die er am meisten auf der Welt liebte verloren. Seine Familie wurde ermordet und das Mädchen das er einst liebte, hatte ihn wegen eines anderen Mannes verlassen. Aber diese Liebe war ohnehin von Anfang an zum scheitern verurteilt. Immerhin war sie eine sterbliche und er ein Vampir. Er ist unsterblich, so gesehen.“ Bevor der Rothaarige die Türe zum Schlafgemach öffnete, warf er einen Blick über die Schulter, linste zu mir herauf und sagte: „Er ist sehr verletzlich, dass merkt man ihm zwar nicht an, aber ich weiß das es so ist.“ Er lächelte mich kurz an, dann drückte er die Klinke der Türe nach unten und ging in die Mitte des Raumes. „So, dies ist vorübergehend dein Schlafraum. Die Vampire kommen hier niemals rein, also brauchst du keinen Grausen zu haben. Die einzigen, die dieses Zimmer betreten können, sind: Du, Cosmin und ich. Sonst niemand.“ Zögernd trat ich ebenfalls in die Mitte des Zimmers und sah mich um. Vor den Fenstern hingen dicke lange weiße Vorhänge, die zugezogen waren. Die Stube wurde nur von ein paar Kerzen und einem Kronleuchter, über dem ein dunkelrotes Seidentuch geworfen wurde, ausgeleuchtet. Einige Bilder schmückten die öden Wände, auf denen seltsame Landschaften und schmerzverzerrte Gesichter zusehen waren. In den Ecken standen einige Sessel und üppige Sitzpolster, das alles in scharlachrotes Dämmerlicht getaucht war. Neben einem der Polstersessel, stand ein dunkelbrauner Kosmetiktisch, auf dem einige Schönheitspflegemittel, etwas Schminke,eine Bürste und eine kleine Schere lagen. In einer anderen Ecke stand ein riesiges bequem aussehendes Bett. Daneben stand ein kleines Tischchen, auf dem ein kleiner Kerzenleuchter stand. Nachdem ich mich staunend umgeschaut hatte, erhob ich meine Augen zu dem alten Mann und fragte: „Weshalb kann denn niemand anderes einen Fuß in diese Stube setzten?“ „Deswegen..“ gab er mir zur Antwort und zeigte mit seinem Zeigefinger über die Zimmertür. „Du weißt doch, Vampire werden kopflos, wenn sie ein Kruzifix sehen und außerdem, solange du die Blut saugenden Nachtgestalten nicht in dein Zimmer herein bittest, dann werden sie es auch nicht betreten.“ „Aber Cosmin ist doch auch ein Vampir, oder etwa nicht?“ fragte ich und blickte kurz zu dem Kreuz hinauf. „Ja, er ist ein Vampir... Aber er ist stärker als die anderen Blutsauger. Kruzifixe, Sonnenlicht, Knoblauch und der andere Kram machen ihm nichts aus.“ murmelte Câtâlin und stellte sich unter den Türrahmen. „Nun ja. Ich werde dich jetzt ein wenig alleine lassen.“ sagte er schließlich und verließ das Zimmer. Ich nickte stumm und schloss die Türe. Seufzend schritt ich zu einem der Fenster, wo ich die Vorhänge ein wenig zur Seite schob und still hinaus sah. Das Gewitter wurde von Minute zu Minute schlimmer. Das Grollen, das den Blitzen folgte, wurde lauter, die riesigen Regentropfen prasselten mit leisen Geräuschen gegen die verschmutzten Fensterscheiben und der Wind nahm immer mehr an Stärke zu. „Ich hoffe dir geht es gut, Papa. Ich werde bald zurückkehren.“ murmelte ich und betrachtete ganz in Gedanken vertieft, die wild umher peitschenden Äste der kahlen Bäume.

Nachdem einige Zeit vergangen war, zog ich die schneeweißen Vorhänge wieder zu und setzte mich auf den kleinen Hocker, der vor dem Kosmetiktisch stand. Ich betrachtete ohne ein Wort zu sagen mein Spiegelbild. Mein Gesicht war kreidebleich, meine Augen leicht angeschwollen, der Ausdruck der Verzweiflung und der Müdigkeit, war mir deutlich ins Gesicht geschrieben. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen. Als ich diese wieder öffnete, fiel mein Blick auf die Schere, die genau vor mir lag. Mit meiner zitternden Hand, griff ich nach ihr und meine brennenden Augen, weichten währenddessen nicht von ihr ab. Erneut starrte ich in den Spiegel und ohne zu zögern, schnitt ich mir Strähne für Strähne meines langen schwarzen Haares ab. Warum ich das tat, wusste ich in diesem Augenblick selber nicht. Vielleicht war es die Wut, die Trauer und die Verzweiflung, die mich dazu bewegt hatten. Als ich mit glasigen Augen auf die abgetrennten Haarsträhnen, die am Boden lagen, sah, ließ ich die Schere auf die Erde fallen und ich bemerkte, dass langsam aber sicher Tränen meine Augen verschleierten. Schluchzend nahm ich einige Gegenstände, die vor mir auf dem Tischchen standen, und warf sie mit voller Wucht zu Boden. Das ein oder andere ging dabei zu Bruch. Doch plötzlich klopfte es an der Zimmertür und ich fuhr erschrocken herum.

„Stela, ich habe dir ein paar trockene und saubere Kleidungsstücke rausgesucht. Ich weiß nicht, ob sie dir passen... Aber ich denke schon.“ sprach eine Männerstimme. Ohne zu antworten, wich ich einige Schritte zurück und starrte auf das Unheil, dass ich in diesem Zimmer angerichtet hatte. „Ist alles in Ordnung?“ fragte diese Stimme nach kurzer Zeit und gleich darauf öffnete sich die Tür einen Spalt weit. Als ich in die kalten blauen Augen blickte, die zu Cosmin gehörten, ging ich noch einmal ein paar Schritte zurück. „Stimmt etwas nicht?“ fragte der Silberhaarige, als er abwechselnd zu mir und zu den kaputten Gegenständen am Boden sah. Rasch schüttelte ich mit dem Kopf und antwortete ihm: „Es ist alles bestens. Ich bin.. Ich bin nur gestolpert und dabei hatte ich ausversehen den Tisch abgeräumt.“ Ich setzte ein bitteres Lächeln auf, als ich die misstrauischen Blicke von Cosmin bemerkte. Er schüttelte leicht den Kopf und sagte schließlich: „Ich habe hier deine neue Kleidung. Ich lege sie dir dort auf das Bett.“ Als er die Anziehsachen abgelegt hatte, stellte er sich vor die Tür und murmelte leise: „Das hier ist übrigens Ion. Ich möchte, dass er die Nacht über bei dir verbringt. Er soll auf dich aufpassen.“ Mein Blick wanderte nach unten. Neben Cosmin auf dem Boden saß der große orangefarbene Kater, der mir vorhin geholfen hatte. „Oh, du bist es.“ sagte ich verwundert und lächelte freundlich. „Ich werde mich jetzt wieder in mein Zimmer zurück ziehen. Ich komme später noch einmal wieder, um nach dem Rechten zu sehen.“ Mit diesen Worten schloss er die Tür und verschwand.

Sichtlich erfreut darüber, endlich frische und vor allem trockene Kleidung tragen zu können, ging ich zu dem Bett und betrachtete kritisch das Kleid und die Schuhe. „Sieht doch ganz nett aus.“ dachte ich mir und begann mich zu entkleiden. Als ich die stierenden Blicke von dem Kater bemerkte, sagte ich leise: „Darf ich dich bitten!?“ Ion blinzelte zu mir herauf. „Was?“ Ich machte eine kreisende Bewegung mit meinem rechten Zeigefinger. „Ja ja...“ brummte er und drehte sich schließlich um.


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