„Stela, wir werden es schon schaffen, hier raus zu kommen.“ sprach die Grauhaarige, legte ihre Hand auf meine Schulter und lächelte mir aufmunternd zu. Diese merkwürdige Kammer, hatte mich so in seinen Bann gezogen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie Nyria auf mich zu kam und sich neben mich auf den Boden kniete. Ich nickte zustimmend und murmelte leise: „Du hast recht! Aber wie sollen wir hier raus kommen!?“ Die Magierin zuckte mit den Schultern. „Wir müssen wohl oder übel auf Cosmin und die anderen warten...“
Für einige Zeit verharrten wir dort auf der schmutzigen Erde und stille beherrschte den Raum. Ich konnte aus dem Augenwinkel heraus sehen, dass Nyria ab und zu zu mir rüber schaute und ihre Lippen dabei ein wenig bewegte. Einige Augenblicke ging dies so, bis die Grauhaarige schließlich sagte: „Du Stela!?“ „Hm...“ „Für den Fall, dass ich nicht wieder lebend das Schloss verlassen werde: Ich wollte dir danken, dass du so freundlich warst und mich mitgenommen hast. Das du auf mich aufgepasst und mir bei der Suche nach Fumé geholfen hast. Ich danke dir, Stela! Wir sind Freundinnen, richtig!?“ Erstaunt drehte ich Nyria meinen Kopf zu und sah sie ernst an. „Natürlich sind wir Freundinnen, Nyria, aber wie kommst du darauf, dass du nicht lebend hier raus kommst?“ fragte ich sie unsicher und umschlang mit meinen Händen ihren Oberarm. „Nun...,“ sie unterbrach sich kurz, blickte zu Boden und sprach dann weiter., „... Irgendwie habe ich ein schlechtes Gefühl in meinem Magen. Ich denke, mir wird etwas passieren, Stela!“ Ich schüttelte wild mit meinem Kopf. „So ein Blödsinn! Ich bin doch bei dir, und ich werde auf dich aufpassen!“ rief ich und meine Augen wanderten zu der gläsernen Vitrine, in dem das Zauberbuch lag. „Komm mit!“ murmelte ich leise und richtete mich auf, dann ging ich mit unsicheren Schritten auf das Buch zu. Zögernd tat die Grauhaarige es mir gleich und betrachtete das dicke Buch, das in dem kleine Glasschrank lag.
„Das ist Rikanes Zauberbuch. Es soll angeblich in Menschenhaut gebunden sein und die schlimmsten Flüche und Zaubersprüche enthalten. Wir sollten lieber die Finger davon lassen... Spürst du denn nicht die böse Aura, die dieses Buch umgibt?“ fragte Nyria und ihre blaugrünen Augen funkelten mir zu. „Doch, aber vielleicht finden wir darin einen Spruch, der uns wieder hier raus bringt...“ entgegnete ich ihr und legte eine Hand auf das Glas, doch ich zog diese sofort wieder weg, denn das Glas, das das Buch umgab, war so eisig kalt, dass es schmerzte.
„Ihr werdet schön hier bleiben und vor allem eure Finger von meinem Buch lassen!“ ertönte plötzlich eine streng klingende Stimme, die mir sehr bekannt vor kam. Es war die, die wir eben noch leise vor sich hin flüstern hören konnten. Rikane!
Aufgeregt wirbelten wir herum und sahen uns aufmerksam in der Kammer um. Niemand war zu sehen, doch plötzlich wurden Nyria und ich von einem grellen Licht geblendet, dass aus der gläsernen Vitrine schoss. Als dieses helle Licht nach kurzer Zeit wieder verschwunden war, mussten wir feststellen, dass sich das Zauberbuch in Luft aufgelöst hatte.
„Bei mir ist es besser aufgehoben...“ konnten wir Rikanes Stimme wieder sprechen hören. Sie lachte triumphierend auf. „Ihr sitzt wohl ganz schön in der Patsche, oder besser gesagt, du Nyria!“ „Rikane, zeig dich du Feigling!“ brüllte die Grauhaarige wütend, doch ihr Gesichtsausdruck sah alles andere als zornig aus. Ihr musste wohl immer noch der Gedanke im Kopf herum schwirren, dass sie sterben würde, doch warum war sie sich da so sicher? Woher sollte sie wissen, dass sie bald sterben würde? Wusste Nyria etwas, was ich nicht wusste? Ihre Augen sahen abwesend und durchdringend aus, während ihr Gesichtsausdruck gequält aussah.
„Wo bist du? Los komm raus!“ rief die Grauhaarige wieder und ging einige Schritte vorwärts. Kurz darauf traten zwei Gestalten aus dem Schatten einer dunklen Ecke. Es waren eine alte Frau, die ein langes schwarzes Kleid trug und ihre Haare streng nach hinten gebunden hatte. In ihren Armen hielt sie das Zauberbuch, das vorhin noch in der Vitrine lag. Etwas hinter ihr, trat ein Mann in das Licht der Kerzen. Eine lange blonde Strähne seines Haares, fiel ihm ins Gesicht und seine strahlend blauen Augen waren leer. Jeglicher Glanz war aus ihnen verschwunden.
„Ist das Fumé?“ fragte ich Nyria vorsichtig und sah flüchtig zu ihr herüber. Die Angesprochene nickte kurz und ging auf Rikane und Fumé zu, dabei sagte sie leiser: „Ja, aber er scheint ganz verändert zu sein. Sieh, seine Augen,... Sie sehen völlig leer und willenlos aus.“
„Hier ist Ende für dich, Nyria, du kleines vorlautes Gör!“ sprach die alte Hexe lachend und wandte sich dann dem Blonden zu. „Vernichte dieses Mädchen, mein Diener! Aber schön langsam, sie soll leiden!“ „Sehr wohl, Gebieterin.“
Erschrocken wich ich einige Schritte zurück. „Er wird von ihr kontrolliert! Pass auf Nyria!“ schrie ich der Grauhaarigen zu, doch es war schon zu spät.
Fumé zog blitzschnell sein Schwert aus der Scheide und machte einen riesigen Satz auf Nyria zu. Es blitze im Licht, so glatt war es poliert. Er schlug damit auf die Magierin ein, die im letzten Augenblick seiner Attacke ausweichen konnte. Der Blonde hatte nicht damit gerechnet, dass sie es schaffen würde auszuweichen, denn er traf mit voller Wucht, den Boden. Während die Grauhaarige ihn genau beobachtete, ging sie einige Schritte rückwärts und stolperte plötzlich über einen riesigen Stapel Bücher.
„Warte, ich helfe dir!“ rief ich ihr zu und sprang von dem Podest herunter. Ich wollte auf die beiden zu laufen, doch plötzlich war ich umgeben von dicken Eisenstäben, die es mir unmöglich machten, zu Nyria zu gelangen.
„Du hälst dich da raus! Schade eigentlich, dass wir den Befehl bekommen haben, dir nichts zu tun. Wäre sicherlich ein großer Spaß geworden.“ lachte Rikane und hob ihre Nase in die Luft.
Ein leichtes Lächeln machte sich auf meinen Lippen breit. „Glaubst du tatsächlich, dass mich ein paar Gitterstäbe davon abhalten, Nyria zu helfen!?“ Ich konzentrierte mich. Ich versuchte die Magie zu beeinflussen, die mich durchfloss. Ich versuchte sie zu formen und ihr eine neue Gestalt zu geben. In tiefster Konzentration, verkrümmten sich meine Finger zu Krallen. Gigantische Flammen umschlossen meine Hand, als ich mit einer Geste das Feuer mit den Handflächen zusammen führte, wo sich ein wirbelnder Feuerball bildete. Ich verdichtete die Flammen immer mehr, in dem ich meine Hände näher zusammen brachte. Meine Augen loderten ebenso, wie das Feuer selbst, als ich in den leicht bläulichen Kern sah.
„Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand, meine Freundin verletzt!“ rief ich und schleuderte den Feuerball von mir fort. Er steuerte genau auf Rikane zu, die das Spektakel unbeeindruckt beobachtet hatte. Als der Ball nicht mehr weit von ihr entfernt war, machte sie eine kurze Bewegung mit ihrem Arm und gleich darauf, flog der Feuerball auf eine Wand zu. Dort verwandelte er sich in eine gewaltige Explosion, die, die gesamte Kammer erschütterte.
„Was! Aber... Das kann doch nicht sein!“ schrie ich entsetzt und sah Rikane ungläubig an. Ihr Gesicht zeigte ein fieses, breites Lächeln. „Mit solchen schwächlichen Attacken, kannst du mir nichts anhaben. Dazu müsstest du schon etwas stärker sein. Ich kann es einfach nicht verstehen, was Graf Dracula an solch einem kümmerlichen Mädchen findet!“ lachte die Hexe und sah mich vergnügt an. „Sie hat ihn... Einfachso abgewehrt! W... Wie kann das sein!?“ schoss es mir durch den Kopf, während ich auf die Stelle sah, wo der Feuerball eingeschlagen war.
Mit schleppenden Schritten, ging ich näher an die Gitter heran und umschlang die Stäbe mit meinen Händen. „Tut mir Leid, Nyria. Ich kann dir nicht helfen!“ murmelte ich leise. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu zuschauen und zu hoffen, dass sie sich mit aller Kraft wehrte und das Cosmin rechtzeitig kommen würde.
Die Grauhaarige lag noch immer am Boden und konnte nur knapp den Schlägen von Fumé ausweichen. „Stirb!“ rief der Blonde immer wieder und schlug mit seinem Schwert auf sie ein. Sie rollte sich auf dem Boden herum, um so den Schlägen zu entgehen.
„Nyria, du musst dich wehren!“ „Ich kann nicht! Ich kann ihm nichts tun, Stela!“
Tränen bahnten sich ihren Weg über ihre Wangen und tropften schließlich an ihrem Kinn hinunter auf die kalten Bodenplatten. „Fumé, kannst du dich denn an nichts mehr erinnern!?“ fragte sie den blonden Vampir und kniete sich vor ihn. „Kannst du dich nicht mehr an unsere schöne Zeit erinnern?“ Ich konnte mit großer Erleichterung feststellen, dass Fumé sein Schwert langsam sinken ließ. Er ging zögernd in die Hocke und sah Nyria zweifelnd an. „Ich wüsste gerne, wovon du eigentlich redest? Eine schöne Zeit, mit dir? Nie im Leben!“ sagte er schließlich. „Bitte..., es kann doch nicht sein, dass du alles vergessen hast!“ murmelte die Grauhaarige und griff nach seinem Mantel. Sofort schlug er ihre Hand von sich fort und stand auf. Ein eisiges Lächeln huschte über das Gesicht des Kriegers, als er einen Schritt zurück ging und Nyria plötzlich mit voller Wucht ins Gesicht trat. Sie kippte zur Seite und eine Schmerzensträne ran ihre Wange hinab. Für kurze Zeit blieb sie reglos am Boden liegen, bis sie sich wieder in die kniende Position hinauf drückte. Sie senkte ihren Kopf, so dass ihr das Haar zerzaust ins Gesicht fiel. „Ich weiss, dass du das nur sagst, weil du unter Rikanes Einfluss stehst. Nie im Leben, würdest du mir wehtun, Fumé...“ Der Blonde beugte sich etwas zu der Knienden hinunter, packte sie bei der Kehle und begann sie zu würgen. Nyria widerstand den Vampir nicht lange. Am Anfang versuchte sie noch, sich zu befreien, doch Fumés Griff machte sie bewegungsunfähig, und schon bald darauf, erstarb auch ihr leises Röcheln, ihr ganzer Körper erstarrte wie der eines Tieres, das den Stärkeren anerkennt. Auf den Tod wartet. Nur ihre Beine zuckten noch.
„Verdammt, ich muss hier irgendwie rauskommen, sonst wird er Nyria noch umbringen! Aber wie kann ich hier raus!? Mir muss ganz schnell etwas einfallen...“ murmelte ich leise und sah mich genau um. Vielleicht konnte ich ja etwas finden, um mich aus dem Käfig zu befreien, und der Magierin zu helfen, doch leider war nichts brauchbares zu finden.
Rikane ging einige Schritte auf die beiden zu, und sprach seufzend: „Es reicht jetzt, Fumé. Beende es, sie wird sterben und einsehen müssen, dass all ihre Anstrengungen umsonst waren.“ Im hohem Bogen schleuderte der Blonde Nyria von sich fort, so dass sie am anderen Ende der Kammer auf den Boden schlug.
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