Wie wild knurrten und brummelten mich die Monster an, wobei einigen schaumiger weißer Sabber am Maul in langen Fäden hinab tropfte. Angeekelt hielt ich mir eine Hand vor den Mund. Bei diesem Anblick wusste ich sofort, dass diese widerwärtigen Geschöpfe nicht leicht zu besiegen waren und ein harte Kampf würde auf mich warten. Obwohl ich einige Male mit dem Gedanken spielte, aufzugeben und mich Seren zu stellen, so konnte ich es einfach nicht tun. „Ich muss Aurelia befreien und Ion seine alte Form zurückgeben. Auch muss ich den anderen bei dem Kampf gegen Dracula helfen und mein Vater, er braucht dringend den Heilkristall. Ich darf nicht aufgeben, auch wenn meine Situation aussichtslos erscheint!“
„Nun gut. Wollen wir nicht weiter unsere Zeit mit einem Gespräch verschwenden und dein Ende hinaus zögern. Ich verspreche dir, es wird kurz und schmerzlos sein. Doch bevor du mir gehörst, werden meine schnuckeligen Diener sich etwas mit dir beschäftigen. Sie hatten schon lange kein so tolles Spielzeug mehr wie dich! Los meine Kreaturen, zeigt ihr, was ihr könnt!“ sprach Seren und kaum hatte sie zu ende gesprochen, da kamen die Monster auf mich zu gesaust. Haarscharf zischte ein riesigen Horn an meinem Gesicht vorbei und ich kam nur mit dem Schrecken davon. Doch ehe ich mich versah, war ich umkreist von diesen Biestern. Nach und nach stürzten sich die Riesen auf mich, doch ich konnte immer im letzten Augenblick ausweichen. Aber trotzdem wusste ich, dass mir irgendwann die Puste ausgehen und ich unvorsichtig werden würde.
„Bitte, ihr dürft mir nichts tun! Versucht euch, von dem Bann unter dem ihr steht, zu lösen. Ich weiß, ihr könnt das...“ schrie ich hoffnungslos, doch es war nicht so. Sie waren nicht mehr die, die sie einst waren. Sie standen unter dem Einfluss der Bösen und mit Worten allein konnte ich sie nicht retten. Als ich mich einmal selbst um meine eigene Achse drehte, bemerkte ich, dass alle Wesen inne hielten. „Haben sie vielleicht doch meine Worte erhört?“ fragte ich mich unsicher in Gedanken. Sie sahen konzentriert und nachdenklich aus, aber in ihren Augen war noch immer dieses hasserfüllte Funkeln zu sehen. „Du willst es einfach nicht verstehen, oder? Ich sagte doch schon bereits, dass du mit Worten nichts, wirklich rein gar nicht erreichen kannst. Du wirst dich noch wundern, wozu sie in der Lage sind. An deiner Stelle würde ich aufpassen, sie machen sich bloß zum nächsten Angriff bereit, nichts weiter!“ lachte sie hämisch und sah mich triumphieren an. Sofort ließ ich meinen Blick von Seren und ließ ihn auf die Kreaturen ruhen. Furchtsam schwebte ich etwas zurück, bis ich mit dem Rücken plötzlich gegen etwas hartes stieß. Unmittelbar schnellte ich um und sah eines der schrecklichsten Wesen vor mir, dass ganz anders und viel gefährlicher auf mich wirkte, als die anderen. Blitzschnell zuckte es auf und griff nach meinem Hals. Ich konnte deutlich seine Krallen in meiner Kehle spüren und es verstärkte den Druck langsam immer mehr. Panisch röchelte ich nach Luft und ich trat und schlug wild um mich. „Hör auf... B.. Bitte, la.. lass mich...“ brachte ich mit letzter Kraft hervor, während mein Körper schwach herum baumelte. Ich hatte einfach keine Kraft mehr und ließ Ion in die Tiefe fallen. „Es ist aus. Ich kann ihnen nicht mehr helfen, es tut mir so Leid!“ dachte ich, bevor ich keinen einzigen Gedanken mehr sammeln konnte.
Meine Augenlider wurden so schwer wie Blei. Egal wie sehr ich mich bemühte sie offen zu halten, sie fielen einfach zu. Ich spürte deutlich, wie mein Blut schmerzhaft in den Kopf gepumpt wurde, meine Brust tat fürchterlich weh. Ich wollte mich wehren, doch es ging nicht. Meine Glieder waren schlaff, weich wie Pudding. Ich konnte mich einfach nicht mehr bewegen. Noch einmal versuchte ich verzweifelt nach Luft zu ringen, doch dann wurde es schwarz vor meinen Augen. Gerade als ich das Bewusstsein zu verlieren schien, spürte ich, dass der Griff um meinen Hals sich lockerte und unwillkürlich wurde ich in die Tiefe geschleudert. Erschrocken und zugleich benommen sog ich scharf die Luft ein. Diese Dimension schien kein Ende zu besitzen, denn ich fiel immer und immer tiefer. Die Geschwindigkeit meines Falls schien nicht abzunehmen, im Gegenteil. Ich nahm immer mehr an Schnelligkeit zu. Mein Atem ging schnell und unregelmäßig.
Als ich hinter mir ein lautes Grölen hören konnte, sah ich mir erschrocken über die Schulter, wobei mein Nacken furchtbar schmerzte. Erstarrt klappte mein Kiefer nach unten und mir stockte der Atem. Ein riesiges bläuliches Geschoss raste hinter mir her und es würde mich bald einholen. Ein erstickter Schrei entwich meiner Kehle, während der Ball wie ein Torpedo auf mich zu sauste. Obwohl er noch wenige Meter von mir entfernt war, spürte ich seine Hitze deutlich auf der Haut. Angstverzerrt ruderte ich wild mit Armen und Füßen in der Luft und versuchte auszuweichen – doch es gelang mir einfach nicht. „Nein! Hilfe!“ kreischte ich und plötzlich durchzuckte ein wahnsinniger Schmerz und ein Brennen meinen Körper. Meine Augen wurden von der enormen Helligkeit geblendet und für einen Moment lang sah ich nichts anderes, als weiß. Die Schmerzen beherrschten meine Gedanken. Ich konnte an nichts anderes Denken, als an sie. Sie raubten mir den Verstand, nahmen mir meine Kraft. Ich konnte nicht einmal mehr einen Ton aus meinem Mund hervor bringen. Nachdem der Schrecken und das Weh sich etwas abgeklinkt hatten, öffnete ich wieder meine Augen, die ich zuvor zu gekniffen hatte. Plötzlich tauchte Seren vor mir auf und legte mir die Hand auf die Stirn, umso meine Sturz zu bremsen. Leise stöhnend schwebte ich in der Luft. Solche Schmerzen hatte ich noch nie empfunden, es tat schrecklich weh. Mit gequältem Gesichtsausdruck versuchte ich mir am Rücken hinunter zu sehen. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, dass das Kleid weggeschmort war und die Hitze hatte sich bis in mein Fleisch gefressen. Aus den brennenden offenen Wunden quoll ein seltsames Gemisch aus Blut und etwas wässrigem.
„Wie ich sehe, bist du schon am Ende, hm? Ich muss sagen, ich bin wirklich enttäuscht. Aber was soll man schon groß von einer sterblichen erwarten? Nunja, meinen Spaß hatte ich trotzdem und jetzt werde ich mir deine Kräfte nehmen...“
„Das werden wir niemals zu lassen, verstanden!“ durchdrang plötzlich eine helle und mir sehr vertraute Stimme die graue Schattenwelt. Erschöpft drehte ich mich um und ein erleichtertes Seufzen entwich meinen Lippen, als ich hinter mir zwei Gestalten entdeckte. „Nyria, Rosa! Was macht ihr denn hier und wie habt ihr mich gefunden? Der... Der Eingang war doch verschüttet...“ meinte ich fast sprachlos und sah die Beiden ungläubig an. „Der zweite Eingang aber nicht.“ sagte Rosa und legte ihre Hände in die Hüften. „Genau! Und ein kleiner Wurm sagte uns, wo wir dich finden. Toll, nicht!?“ Das Mädchen mit den weißen Zöpfen lächelte mir zu und zog mich zu sich. „Ja,... aber Nyria, was machst du hier? Und wo sind die anderen?“ „Na hör mal, ich kann doch nicht einfach meine Freundin allein lassen! Du hast mir geholfen, also möchte ich auch dir helfen. Fumé und die anderen kämpfen mit den Wachen auf der Lichtung, und jetzt halt still, ich heile deine Wunden.“
Eine liebliche Wärme durchströmte meine Glieder und mit einem mal bemerkte ich, wie sich meine Kräfte wieder auffüllten. Die furchtbaren Schmerzen verschwanden und die offenen Wunden am Rücken waren nicht mehr zu sehen. „So, das wäre geschafft. Jetzt müssen wir uns um das da kümmern!“ sagte Nyria und warf Seren ein wütendes Funkeln zu. „Vorsicht! Das wird nicht so einfach sein. Unsere Magie wirkt hier unten nicht.“ rief ich meinen beiden Retterinnen zu und hielt sie zurück. „Aber Nyria konnte doch gerade ihre Kräfte benutzen!“ „Ich weiß Rosa, ich weiß auch nicht warum. Hier ist alles so wahnsinnig verwirrend.“
„Vor weißer Magie habe ich nichts zu befürchten! Außer Heilen können Weißmagier nichts. Daher habe ich auch ihre Kräfte nicht geblockt. Übrigens, ich finde es hervorragend, dass ihr jetzt schon zu dritt seid. Das wird ein riesen Spaß und noch mehr Fähigkeiten für mich. Nur was ich mich frage, wie habt ihr zwei Ratten es geschafft, unbemerkt hierher zu kommen? Sobald jemand die Katakomben betritt, kann ich die Leute auf Schritt und Tritt verfolgen, nur euch habe ich nicht bemerkt.“ Triumphierend sahen sich Rosa und Nyria an. So als ob sie wüssten, wie man Seren besiegen könnte. „Stela, hier nimm.“ flüsterte mir die Blonde zu und drückte mir ein dickes Buch in die Hand. „Aber das ist doch Rikanes Zauberbuch. Woher hast du es?“ „Ich hatte es auf der Lichtung gefunden.“ „Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich es verloren hatte.“ meinte ich verwundert und hielt mir das Buch vor das Gesicht. „Hör zu Stela! Nyria und ich hatten uns mit einem Zauber aus dem Buch unsichtbar gemacht. Aus dem Grund konnte uns dieses Monster nicht bemerken. Das heißt, Rikanes Zauber verlieren hier unten nicht ihre Wirkung. Vielleicht, weil sie auf der Seite des Bösen stand und sie nichts vor ihr zu befürchten hatte. Wir müssen einen passenden Spruch finden, womit wir das Ungeheuer unschädlich machen können. Ich werde sie und ihr Gefolge in Schach halten, während ihr Zwei einen Zauber sucht!“
Beruhigt nickte ich ihr zu, während ich mich mich langsam Nyria zudrehte. Gespannt schlug ich das Buch auf und überflog eilig die ersten Zeilen, die auf den vergilbten und zerknitterten Lettern standen. „Nun gut, suchen wir einen Zauber!“ flüsterte ich der Grauhaarigen zu, die ebenfalls in den dicken Schmöker schaute.
„Für wen haltet ihr Gören mich? Bin ich etwa Luft? Es wird Zeit, dass wir es zu Ende bringen! Macht euch bereit!“ rief Seren erbost und warf uns böse Blicke zu. „Mach dich nicht lächerlich, du Monster! Zuerst müssen du und deine Kameraden an mir vorbei, klar!“ fauchte Rosa und augenblicklich konnte man erkennen, wie perplext und baff Seren war. Sie konnte es einfach nicht glauben, dass sie nicht ernst genommen wurde. Ein verächtliches Schnauben verließ Serens Mund, bevor sie sagte: „Entweder weißt du nicht, wen du hier vor dir hast oder du bist einfach Lebensmüde, meine Kleine. Aber eins glaube mir, deine schnippischen Worte werden dir gleich in deinem Hals stecken bleiben! Los meine Diener, stopft ihr ihren frechen Mund!“ Sofort hob ich meinen Blick und sah zu der Blonden hinüber. „Sei vorsichtig Rosa! Sie sind stärker und flinker als du denkst!“ alarmierte ich sie. „Kümmere dich nicht um mich. Such lieber nach einem Zauber!“ entgegnete sie selbstsicher und warf mir ein Lächeln zu.
Während sich die monströsen Wesen auf Rosa stürzten, durchstöberte ich das Buch. Von Seite zu Seite blätterte ich um. In der ersten Hälfte des Buchs, standen, so wie es mir vorkam, nur unwichtige Dinge. Vom Liebeszauber bis hin zum Rezept für das Gedankenlesen.
Erst als sich das Buch dem Ende zu neigte, schienen die etwas mächtigeren Sprüche und Rezepte zu kommen.
„Schau mal da, Stela!“ rief Nyria plötzlich und hielt ihren Zeigefinger unter eine dicke Schrift. „Ein Kontrollzauber, der es uns ermöglicht, Seren für eine Stunde willenlos zu machen. Sie verfällt dann in eine Art Trance.“ sprach sie dann weiter und sah mich fragend an. „Ob das etwas bringt? Es heißt ja soviel, dass sie in einer Stunde wieder die Alte ist.“ meinte ich und las mir die Beschreibung skeptisch durch. „Ja, aber so könnten wir etwas Zeit gewinnen.“ Für einen Augenblick ließ ich mir die Worte des Mädchens durch den Kopf gehen. „In Ordnung, du hast recht. Dann wenden wir erst einmal diesen Zauber an.“ Wütend blickten wir Seren an und gemeinsam sprachen wir die Zauberformel.
„Feuer der Tiefe, steige hinauf. Trotz der Natur und dem Menschenverstand. Mutter des Lichts und Vater des Dunkel, verehrt das Feuer auf ewig, für immer. Verschmelzt Illusion und Realität miteinander. Verschlingt Gedanken und Ideen, nehmt ihr den Willen und wir werden sehen.“
Kaum hatten wir den Spruch beendet, da umgab Seren ein zartes silbernes Licht. Es wirkte kalt und ruhig. Auch das Buch strahlte ein gleißendes Licht aus, das die Augen schmerzen ließ.
„Was, was habt ihr getan, ihr Gören? Ich kann... Ich kann mich nicht mehr bewegen!“ klagte sie jämmerlich und starrte uns erschrocken und zugleich hilflos an. Ich konnte deutlich den panischen Ton in ihrer Stimme hören. Sie war so fixiert auf Rosa gewesen, dass sie Nyria und mir keine Beachtung mehr geschenkt hatte. Von der einen Sekunde auf die andere, wich jeglicher Glanz aus Serens Augen, bis sie nur noch leer und leblos wirkten. Mit letzter Kraft streckte sie ihre Hände nach uns aus und schrie aufgebracht: „Das werdet ihr mir büßen! Noch nie ist mir jemand ungestraft davon gekommen, glaubt mir... Das,... das wird ein bitteres Erwachen für euch werden.“ Dann schwebte sie steif wie eine Wachsfigur vor uns auf und ab. An ihrem Gesichtsausdruck konnte man deutlich erkennen, wie sie in ihren Gedanken gegen den Zauber ankämpfte.
„Seht nur, die Monster! Sie verschwinden. Sie lösen sich einfach in Luft auf...“ bemerkte Rosa plötzlich verwundert und sah uns mit großen Augen an. „Ja und nicht nur das!“ rief Nyria und sprach, nachdem sie einmal scharf die Luft eingesogen hatte, weiter. „Auch die Welt löst sich langsam aber sicher auf. Man kann schon ganz deutlich die Umrisse einer Halle erkennen, schaut!“ Aufmerksam drehte ich mich im Kreis und sah dabei zu, wie das triste Grau verschwand und langsam das karge Gemäuer eines riesigen Raumes zum Vorschein kam. Noch immer schwebten wir dicht unter der Zimmerdecke und es ging nur schleppen nach unten in Richtung Boden. Als wir endlich wieder festen Untergrund unter den Füßen hatten, sah ich mich argwöhnisch um. Die alten Mauern um uns herum, waren über und über von Moos befallen, auch wucherte Efeu an ihnen hinauf. Es roch vermodert und die Luft war feucht – wie eigentlich in allen Teilen der Katakomben. Zähneknirschend rümpfte ich die Nase und betrachtete den schimmernden Mosaikboden, der im matten Schein glänzte. Zwei kleine Kerzenständer, die in den Ecken des Raumes standen, waren die einzigen Lichtspender hier unten.
„Wo sind wir hier?“ fragte Nyria befangen, während sie sich ebenfalls unsicher umsah. „Scheinbar auf dem richtigen Weg.“ antwortete Rosa ihr nur knapp und deutete mit einer kurzen Handbewegung, auf ein von Kletterpflanzen umwachsenes Schild, das gleich neben einer alten Holztür hing. 'Kerkerräume' war in silberner Schrift zu lesen. „Ich hoffe, wir werden dort Aurelia finden.“ murmelte ich leise, während ich in Gedanken zu Gott betete. „Nanu, wer ist denn dieser kleine Kerl?“ wollte die Grauhaarige plötzlich wissen und ich drehte mich zu ihr um.
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