Carries komische Werkstatt
  Der Schatz bei den Katakomben 4
 


Während ich Ion erzählte, was bisher geschehen und wie ich von den anderen getrennt worden war, machten wir uns gemeinsam auf die Suche nach Aurelia. Auch wenn der kleine Kater nicht viel ausrichten könnte, wenn wir in eine Falle tappen oder von einem Ungeheuer angegriffen würden, so war ich doch trotzdem erleichtert, jemanden an meiner Seite zu haben, mit dem ich mich Unterhalten konnte. Auch würde mir sicherlich sein ausgeprägter Geruchssinn und sein gutes Gehör weiterhelfen können.
Nachdem wir einige Zeit durch das verwirrende Labyrinth geschlichen waren, blieb Ion plötzlich stehen und hob konzentriert sein Näschen in die Luft.

„Hast du etwas? Was ist los?“ fragte ich ihn gespannt und beugte mich etwas über ihn. Ernst funkelte er mich mit seinen grünen Augen an. „Ich wittere etwas!“ rief der orangene Kater, bevor er in einen raschen Laufschritt verfiel. So schnell, wie ich nur konnte, versuchte ich Ion zu folgen. Aber es war mir einfach nicht möglich, mit ihm Schritt zu halten. Als wir schließlich durch sämtliche Gänge gerannt waren, kamen wir plötzlich an einer Sackgasse an. Misstrauisch sah ich mich um. „Hier geht’s wohl nicht weiter!  Sag bloß, dein sensibles Näschen hat sich geirrt!?“ Empört blickte er mich an und seine Kinnlade klappte nach unten. „Wie kannst du es wagen?!  Meine Nase hat sich noch nie in meinem verdammten Katzenleben geirrt!“ rief er erbost und starrte gekränkt die graue Wand an. Aufmunternd strich ich ihm über das weiche Fell. „Ach Ion, irgendwann ist immer das erste Mal.“ meinte ich. „Lass uns zurück gehen und einen anderen Weg suchen.“ Gerade als ich auf dem Absatz kehrt machte, konnte ich eine seltsame Stimme sagen hören: „Aber hier ist doch gar keine Sackgasse!  Schaut euch doch mal richtig um.“ Argwöhnisch sah ich mir über die Schulter und mein Blick blieb starr an Ion hängen. „Hast du etwas gesagt?“ wollte ich skeptisch wissen und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Der Kater schüttelte leicht mit dem Kopf. „Nein, habe ich nicht. Ich dachte, du hättest etwas gesagt.“ „Blödsinn!  Ich habe doch keine Männerstimme!“ gellte ich wütend und stampfte mit dem Fuß auf dem Boden auf. „Nein, ich habe gesprochen, ihr Blindfische!  Hier unten!“
Hastig ließ ich meinen Blick durch die Umgebung schweifen, bis ich schließlich vor meinen Schuhen ein kleines Etwas entdeckte.
„Was ist denn das?“ fragte ich eher mich selbst und verzog angewidert das Gesicht. „Ich glaube, dass ist ein Wurm, zumindest riecht es so. Aber Würmer können nicht sprechen!“ meinte Ion zweifelnd, während er das kleine weiße Vieh beäugte. „Na und? Katzen können doch eigentlich auch nicht sprechen!“ Ertönte erneut die Stimme, und dieses Mal konnten wir genau sehen, wie sich der Mund des kleinen Wesens bewegte. „Wer oder was bist du, und was machst du hier?“ fragten wir es im Chor und warfen uns fragende Blicke zu.


„Mein Name ist Aramis und ich bin, wie man unschwer erkennen kann, ein Wurm. Ich lebe hier nun schon seit langer Zeit mit meiner kleinen Familie. Und wer seid ihr, wenn man fragen darf?” sagte der kleine Ringelwurm und sah uns erwartungsvoll an. Seine weiß silberne glitschige Oberfläche schimmerte leicht violett im matten Licht einer bunten Laterne. Mit einigen langsamen Gestikulierungen, stellte ich uns vor. „Ich bin Stela, und das ist mein pelziger Freund Ion.” „Nett euch kennen zu lernen!” meinte er, und es schien mir fast so, als ob sich Aramis vor uns verbeugte. „Kommt doch auf eine Tasse Tee, mit in meine bescheidene Hütte. Ich würde euch gerne meine Olle vorstellen.” Stirnrunzelnd und irritiert, sah ich das winzige Wesen an. „Danke für die Einladung, aber entschuldige, wir haben keine Zeit. Wir müssen unbedingt weiter!” Langsam drehte uns der leuchtende Wurm seinen wirbellosen Rücken zu, und begann davon zu kriechen. „Na, da kann man wohl nichts machen.” murmelte er leise, während er sich mit aller Kraft an einem Stein hoch zog. Nachdenklich sahen wir ihm hinterher. „Wenn Aramis tatsächlich schon lange Zeit hier unten lebt, dann muss er sich doch auch hier auskennen…” schoss es mir durch den Kopf, und als ich Ion einen unsicheren Blick zu warf, wusste ich, dass er das gleiche dachte. „Bitte warte, kleiner Wurm!” rief ich ihm hoffnungsvoll hinterher und ging hastig einige Schritte auf ihn zu. Zögerlich drehte sich Aramis zu mir um, und sah mich mit seinen zwergenhaften Glubschaugen an. „Kannst du uns vielleicht helfen? Wir suchen die Kerkerräume, weil dort meine Schwester gefangen gehalten wird. Es ist wirklich wichtig. Weißt du, in welche Richtung wir gehen müssen?”
Für einige Momente herrschte Ruhe, einen Sekundenbruchteil später, folgte ein leises geheimnisvolles Raunen und ein seltsames Knurren. Erschrocken wirbelte ich herum, während Ion einen Satz nach hinten machte. „Was war das? Das kam ganz aus unserer Nähe!” flüsterte ich kaum vernehmbar, und gleich darauf lauschte ich wieder gespannt in die Totenstille. „Das war Seren, die Hüterin des Labyrinths!  Noch nie ist jemand lebend an ihr vorbeigekommen. Wenn man in ihre Augen schaut, verwandelt sie einen in eine kalte Steinfigur, die sie danach in tausend Teile zerschlägt. Ihre Diener sind zwar relativ schwach, dafür aber sehr flink.“ Beklommen hörte ich Aramis zu und blickte zu ihm hinunter. Das was er sagte, klang alles andere als gut!  Der Wurm machte eine kurze Pause, bevor er weiter sprach. „Wenn ihr allen Ernstes die Räume der Gefangenen sucht, müsst ihr wohl oder übel an Seren vorbei. Geht einfach geradeaus, und dann müsst ihr immer weiter nach rechts abbiegen. Aber natürlich werden euch auf dem Weg dorthin die meisten Fallen begegnen!“ „Kennst du vielleicht eine Möglichkeit, wie man diese Seren besiegen, oder zumindest erst einmal unschädlich machen könnte?“ Schwermütig und mit geschlossenen Augen, schüttelte Aramis den Kopf. „Nein, ich kenne keinen Weg, wie ihr heil an ihr vorbei kommen könntet!  Wenn es überhaupt einen gibt. Wie ich schon sagte - noch nie hat jemand ihre Attacken überlebt…“ Seufzend lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Wand und sah bekümmert zu Boden, während ich mir flüchtig eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. „Aber wir müssen unbedingt zu Aurelia!  Was sollen wir bloß tun? Was ist, wenn wir in Stein verwandelt werden?“

Ion ließ seinen buschigen Hintern gewandt durch die Luft gleiten, während er mich mit seinem Blick fixierte. „Wenn wir dieser Seren nicht in die Augen sehen, dann wird uns auch nichts passieren!” versuchte mich der kleine Kater zu beruhigen. „Irrtum!” mischte sich der Wurm nun wieder ein. „Serens Steinzauber ist ihr mächtigster und ein sehr gefürchteter Zauber. Aber sie hat noch viele andere Attacken und Aße in ihrem Ärmel!  Ihr solltet sie auf keinen Fall unterschätzen!  Ich rate euch, dass ihr umkehrt, wenn ihr leben wollt.” Entsetzt starrte ich den schimmernden Ringelwurm an. „Hast du mir nicht zu gehört?!  Ich muss meine Schwester finden, ich kann nicht einfach so wieder gehen!  Aurelia verlässt sich darauf, dass sie jemand befreit… Ich muss sie finden!” “Wie du meinst, aber du solltest vorsichtig sein, und vergiss nicht - unterschätze Seren nicht!  Sie ist das Gefährlichste Monster, auf das ihr hier unten nur stoßen könnt. Immerhin bewacht sie die Gefangenen und Draculas Schatz!”
Während ich meine Augen grüblerisch durch den langen Korridor wandern ließ, schnalzte ich einige Male mit der Zunge und fuhr mir mit den Fingerspitzen schwach über die Schläfen. Gleichmäßig sog ich die feuchte Luft ein, als ich mich auf den kalten und wässrigen Boden kniete.
„Was denkst du Ion? Glaubst du, wir schaffen es ohne die anderen?” wollte ich von dem sprechenden Tier wissen, und sah es gespannt an. „Natürlich!  Hab doch mal ein wenig Vertrauen zu dir selbst!”
Für einige Minuten dachte ich über die Worte des Katers nach. Er hatte vollkommen recht, mit dem, was er sagte. Ich musste jetzt stark sein – für Aurelia und für mich selbst. Auch wenn es nicht leicht werden würde, an diesem schrecklichen Monster vorbei zu kommen, so musste ich es doch versuchen und meine Angst bekämpfen. Meine Eltern und auch Horea, hätten sicher das gleiche getan und sich bemüht, mit aller Kraft Aurelia zu befreien.
Abermals starrte ich Aramis an und strich ihm über den glitschigen Körper. „Du sagtest, wir müssen geradeaus gehen und dann immer nach rechts, stimmst?!  Ich danke dir vielmals und ich wünsche dir alles gute, kleiner Wurm.“ Doch plötzlich fauchte Ion grimmig und stellte sich längst mit den Vorderpfoten an den Wänden hoch, damit er Aramis mit seiner feuchten Nase umschubsen konnte. „Sag mal, willst du uns etwa veräppeln!? Das sieht doch ein Blinder mit einem Krückstock, dass es dort vorne nicht weiter geht, du elender Wurm!“ Ich hob meinen Blick, und sah auf die Wand vor mir. Dort ging es tatsächlich nicht weiter und ich nickte dem Kater zustimmend zu. „Wie oft soll ich noch sagen, dass ihr genau hinsehen sollt!?“ fragte der Leuchtwurm bissig, während er wütend seinen langen Kopf zur Seite drehte. „Oder versucht doch einmal, die Wand zu berühren, dann wisst ihr, was ich meine!“

Zögernd und mit ausgestreckten Armen, ging ich auf das Gemäuer zu. Als ich die besagte Wand berührte, schoss eine eisige Kälte durch meine Hände und das Gestein vor meinen Augen, schimmerte wie ein Spiegelbild im Wasser, bis sich schließlich jegliche Farbe in Luft auflöste und die Mauer durchsichtig wurde. Erst jetzt konnte ich sehen, dass sich hinter der transparenten Wand, ein weiterer Gang befand, der tiefer und tiefer in das Gewirr des Labyrinths führte.
„Was ist das?“ fragte ich Aramis, während ich ihm einen kurzen Blick zu warf. Der Wurm hob seine dünnen, kurzen Ärmchen seufzend in die Luft. „Ich weiß nicht genau, aber ich schätze mal, dass es ein Täuschungszauber ist, ein Trugbild, das jeden unbefugten Eindringling in die Irre führen soll.“ Begreifend und gleichzeitig fasziniert, nickte ich und stieg vorsichtig durch die kristallklare Mauer. Ion folgte mir und sah mich auffordernd an. „Lass uns gehen Stela!“ Einträchtig blickte ich zu dem Kater hinunter, dann wandte ich mich Aramis zu. „Es wird Zeit für uns, wir müssen leider gehen. Vielen Dank, dass du uns geholfen hast, das werden wir dir nie vergessen. Auf Wiedersehen und grüße deine Familie von uns!“ „Passt auf euch auf, und wenn ihr hier noch einmal vorbei kommt, besucht mich!  Ihr seid immer herzlich Willkommen.“ Zum Abschied winkte ich ihm lächelnd zu, bis plötzlich wieder die undurchsichtige Steinwand erschien und mir die Sicht auf den Wurm nahm.

Umso weiter wir in die Katakomben eindrangen, umso dunkler und gespenstischer wurde es. Durch den Gang hallten unheimliche Geräusche, die immer mehr an Lautstärke zunahmen. Überall um uns herum, drehten sich seltsame Schatten im Kreis, als ob sie Tanzen würden. Es war mir ein Rätsel, woher diese schemenhaften Schattengestalten kamen – nirgends brannte mehr ein Licht und es war stockfinster. „Ob das Untertanen von Seren sind?“ fragte ich mich selbst in Gedanken. „Vielleicht erwartet sie uns ja schon.“
Mit einem leichten Kribbeln im Bauch, ließ ich meine Fingerspitzen über das feuchte Gestein gleiten. Die Schreie, das Stöhnen, die schweren Schritte und die beängstigend Laute, gingen mir durch Mark und Bein. „Was meinst du Ion, ob diese Seren tatsächlich so gefährlich ist, wie Aramis meinte?“ Der Kater sah mich nachdenklich an. „Ich weiß nicht!   Aber vor langer, langer Zeit, habe ich einmal von einem Monster gehört, das genau die selben Kräfte und Fähigkeiten besitzen soll, wie sie. Es war sehr gefürchtet und wo es auftauchte, brachte dieses Ungeheuer Tod und Verderben. Vielleicht hat man damals Seren gemeint.“ „Wir können nur hoffen, dass der Wurm mächtig übertrieben hat!   Ich habe meine Zweifel, ob wir allein gegen sie ankommen. Aber wenn wir sterben, wird Aurelia für immer hier festsitzen...“

Angespannt und gleichzeitig auch aufmerksam, folgte ich Ion weiter den Korridor entlang, ohne einmal zurückzusehen. Während wir an zwei schaurig aussehenden Statuen vorbeigingen, durchzuckte plötzlich ein schauerliches Kribbeln meinen Körper und ich blieb instinktiv stehen. Als ich erschrocken an mir hinunter sah, bemerkte ich, dass sich der leicht schummrig wirkende Boden, noch mehr verfinsterte und schließlich ganz verschwand. Auch die Wände und die Decke hatten sich in Luft aufgelöst und es schien, als ob wir im Nichts schweben würden.
„Was zum Teufel geschieht hier?!“ rief ich fragend durch das dämmerige Dunkel, wobei ich ratlos mit den Armen umher ruderte. „Wir wurden in eine andere Dimension geschleudert!  In eine Dimension, in der wir schwerelos sind!“ meinte der Kater heiser, während er über meinem Kopf schwebte und einige unbeholfene Pirouetten drehte. Viele nebelhafte Gestalten huschten umher und verursachten einen leichten kühlen Wind. Plötzlich hallte eine geheimnisvolle Stimme durch die Schatten, bei der man nicht erkennen konnte, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte.

„Dies hier ist der Ort, an dem sich die Welten der Lebenden und der Toten treffen. Hier gibt es kein Licht, keine Finsternis, nur die Schatten. Kein Weiß, kein Schwarz, nur grau. Dies hier ist der Ort, an dem es kein Entkommen gibt. Um in eure Heimat zurückkehren zu können, müsst ihr mich - die Herrscherin der Schatten besiegen. Doch lasst euch eins gesagt sein - noch nie konnte es ein menschliches Wesen mit mir aufnehmen!  Werdet zu Schatten, werdet ein Teil dieser Welt!“

Schützend nahm ich Ion in meine Arme, als ich mich hektisch umsah. Weit und breit waren nur die umher wirbelnden Schattengeister zu sehen, die zusammen ein größeres Wesen bildeten. „Ob das Seren ist? Nein, das würde doch keinen Sinn ergeben!  Sie würde uns doch höchstens in Stein verwandeln, aber doch nicht zu Schatten, oder?“ fragte ich mich selbst in Gedanken, während sich die Gestalt zurückzog. „Los Stela, hinterher!“ gellte der Kater befehlerisch und zeigte mit seiner Pfote in die Richtung, in welche das graue Schattenbild verschwunden war. „Aber wer ist diese Kreatur?“ „Woher soll ich das denn wissen, ich bin doch kein Hellseher!  Das werden wir wohl oder übel herausfinden müssen.“ Seufzend stimmte ich ihm zu, währenddessen ich unter großer Mühe versuchte, dem seltsamen Monster zu folgen.


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