Carries komische Werkstatt
  Der Angriff
 


Kapitel 1 - Der Angriff

Alles geschah an einem düsterem Herbstabend. Die Sonne war schon untergegangen und dichte Nebelschwaden zogen sich über die südlichen Ebenen der Stadt zusammen. Die meisten Familien saßen gemütlich beim Abendbrot, als die Kirchglocken geläutet wurden. Normalerweise wurden die Seile der Glocken nur dann gezogen, wenn jemand geheiratet hatte oder jemand verstorben war. Doch an diesem Abend hatte man sie aus einem ganz anderen Grund in Schwingungen versetzt. Nachdem die ersten hohen Töne zu hören waren, klopfte es an der Tür. „Wer um Himmels Willen, klopft um diese Uhrzeit noch an unserer Haustüre?“ brummelte mein Vater und stampfte zur Tür, die er hastig öffnete. „Sagen Sie mal, was fällt Ihnen ein?“ rief er verärgert. Ein riesiger Mann mit grauem Bart stand ihm gegenüber. In seiner rechten Hand hielt er eine erloschene Fackel. „Verzeiht mir Claudiu, aber ich habe den Befehl bekommen, alle Bewohner zum Marktplatz zu schicken.“ „Und darf man auch erfahren, warum?“ Der fremde Herr schüttelte den Kopf. „Tut mir Leid, ich darf niemandem etwas sagen. Geht zum Marktplatz, dort wird man euch alles erzählen.. Beeilt euch, es ist wichtig.“ So lauteten seine letzten Worte. Nun ließ Vater die Tür ins Schloss fallen und wandte sich uns zu. „Ihr habt gehört was Radu gesagt hat. Zieht euch warm an, es ist kühl draußen.“ Schnell sprangen wir von unseren Plätzen auf und schlüpften in unsere Mäntel. Dann machten wir uns auf den Weg zum Marktplatz.

Der Wind biss kalt in unsere Gesichter, als wir uns unseren Weg durch die Straßen der Stadt bahnten. Der rote Mantel meines Vaters klebte an seinem Körper wie ein blutverschmiertes Leichentuch, während sich das Mondlicht in Pfützen spiegelte, die von unseren Schritten zerschlagen wurden. Ich schloss meine Arme um mich und spürte die Kälte der Nacht und der Einsamkeit.
Langsam holten wir eine kleine dicke Dame ein, die sich darüber ärgerte, dass sie schon wieder so viele Löcher in ihrem Kleid hatte. Sie knurrte und biss die Zähne zusammen. Auf den Straßen herrschte hoher Betrieb. Die Stadtbewohner liefen durcheinander und aufgeregt umher, während der Nebel wie Weihrauch langsam vom Boden aufstieg.
Aurelia meine kleine Schwester, hüpfte vor den Füßen meiner Mutter herum und trällerte fröhlich ein Lied vor sich hin. „Mama, backst du morgen wieder diese leckeren Kekse?“ fragte sie mit quiekender Stimme und steckte ihre Hände in die Manteltaschen. Meine Mutter, dessen Name Daciana lautete, schüttelte mit dem Kopf. „Nein Aurelia, ich hatte erst gestern welche gebacken. Du bist ein kleiner Vielfraß!“ Beleidigt schaute das blonde Mädchen zu Boden. „Aber warum denn...“ „Psst, seid still!“ rief Horea, mein zwei Jahre jüngerer Bruder plötzlich und unterbrach somit den Satz meiner Schwester.
Wie gefesselt blieben wir stehen. Von weitem konnte man rhythmische Trommelklänge vernehmen, die sich der Stadt schnell näherten. „Könnt ihr das auch hören oder bilde ich mir das bloß ein?“ fragte Horea unsicher. Ich nickte ihm flüchtig zu und legte meine Hand auf seine Schulter. „Ich kann es auch hören, und scheinbar nicht nur wir!“ sagte ich, nachdem ich bemerkt hatte, dass auch die anderen Menschen stehen geblieben waren und gespannt in die Luft horchten. „Oh nein, sie sind schon da!“ kreischte der Bürgermeister wild, der nicht weit von uns weg stand und wohl ebenfalls auf dem Weg zum Marktplatz war. Ich schaute in sein kreideweißes Gesicht und fragte: „Wen meinen Sie? Wer ist schon da?"
Doch kaum hatte ich zu Ende gesprochen, da wurde unsere Stadt auch schon von seltsamen Kreaturen angefallen. Ich kannte sie bisher nur aus Erzählungen von geschockten Augenzeugen oder aus Geschichten. Aber ich konnte deutlich ihre blasse Haut, die hellen blauen Augen und die spitzen messerscharfen Zähne erkennen. Ich war mir sicher, dass wir es hier ebenfalls mit diesen Wesen zu tun hatten. Es waren Vampire!
Als erstes fiel der Bürgermeister ihnen zum Opfer. Die zarten Hände einer Vampirlady hatten sich um seinen Hals geschlungen und ihre langen Fangzähne packten seine Gurgel. Ihr kleiner Mund füllte sich mit warmen Blut.

Von der einen Sekunde auf die andere, tauchten immer mehr Blutsauger auf. Nun brach völlige Panik unter den Bewohnern aus. „Lauft um euer Leben!“ schrie der riesige Mann, der vor wenigen Minuten noch an unsere Haustüre geklopft hatte. Rasch nahm ich Aurelia bei der Hand und rannte mit ihr eine dunkle Seitenstraße entlang. Meine Gedanken überschlugen sich, noch immer konnte ich nicht ganz begreifen, was hier vor sich ging.
Als ich mir über die Schulter schaute bemerkte ich, dass unsere Eltern und auch Horea verschwunden waren. „Hoffentlich schaffen sie es zu fliehen!“ dachte ich und rang nach Atem. „Wo sind die denn hergekommen?“ fragte Aurelia keuchend. „Ich weiß es nicht..., hör auf zu fragen!“
Nach einiger Zeit kamen wir an einer beleuchteten Straße an und genau vor uns saß ein Vampir, der uns mit seinen langen Zähnen und mit seinen rot glühenden Augen anfauchte. Sofort ließ er sein Opfer, eine hochschwangere Frau, fallen. Sie war völlig reglos, wahrscheinlich tot. Der Vampir sprang auf und rannte auf Aurelia zu. Er riss sie herum und hielt sie wie einen Schutzschild vor sich. „Lass mich bloß in Ruhe, sonst stirbt die Kleine hier!“ fauchte er mich an. „Bitte, lass mich gehen...“ schluchzte sie ängstlich und begann bitterlich zu weinen. „Halt den Mund!  Noch einen Ton und du bist Geschichte!“ „Lass meine Schwester los. Du wirst sie jetzt sofort gehen lassen oder du wirst es bitter bereuen, das schwöre ich dir!“ schrie ich. Der Vampir lachte laut auf und ehe ich mich versah, steckten seine Zähne tief in ihrem Hals. „AURELIA!“ schrie ich mit Leibeskräften, als plötzlich jemand mein Handgelenk umklammerte. „Schnell Mädchen, lauf!“ Es war erneut der riesige Mann, der uns zum Marktplatz schickte. Sein Name war Radu. Eilig zog er mich neben sich her. „Sag, weißt du wo der unterirdische Weg ist, der aus der Stadt raus führt?“ fragte Radu, der mein Handgelenk noch immer fest im Griff hatte. „Ja, aber...“ „Das ist gut. Lauf so schnell du kannst dort hin und verlasse die Stadt!  Dann gehst du immer weiter durch den Wald.. Ich hoffe du wirst es schaffen dich in Sicherheit zu bringen...“ „Nein!“ schrie ich. „Ich kann nicht gehen. Ich muss doch..“ Radu unterbrach mich. „Du wirst deiner Familie und deinen Freunden nicht helfen können, Kind!  Verlasse die Stadt.“ Entsetzt riss ich mich von ihm los. „Aber ich muss ihnen helfen!“ „Du kannst es aber nicht!  Deine Geschwister und deine Mutter sind tot, dein Vater irrt in irgendeiner Gasse umher und wird es wahrscheinlich auch nicht überleben!  Stela, mach das du weg kommst!  Denn schon bald wird eine riesige Armee kommen und alles in Schutt und Asche legen!“ „Aber was ist mit Ihnen?“ Er strich mir sanft durchs Haar. „Ich werde schon klar kommen. Ich kenne mich mit solchen finsteren Gesellen aus.“ Ich nickte unsicher und schaute zu meiner Schwester hinüber. Der Vampir hatte von ihr abgelassen und sich ein neues Opfer gesucht. Aurelia lag lang ausgestreckt und regungslos, mit weit geöffneten Armen ohne zu atmen am Boden und eine kleine Blutlache zierte den kalten Pflasterstein. Ein kühler Windhauch strich ihr durch das blond gelockte Haar und verlor sich in der unendlichen Kälte der Dunkelheit. Ich stand bewegungslos da, starrte mit stiller Wut auf den Leichnam und ballte meine Hand zu einer Faust. Die lodernden Flammen um mich herum, spiegelten sich in meinen Augen wieder.

„Das kann doch alles nicht wahr sein!  Eben saßen wir doch noch alle friedlich beim Abendbrot und jetzt sind sie... Das muss sicher wieder einer dieser schrecklichen Alpträume sein!  Ich will aufwachen!“ rief ich und kniff die Augen fest zusammen. „Ich muss aufwachen!  SOFORT!“ Mein Herz schlug in einem unregelmäßigen harten Takt und jeder Atemzug tat furchtbar weh. „Worauf wartest du? Kind, du kannst nichts mehr für sie tun... Verschwinde endlich und bring dich in Sicherheit!“ Zögernd wich ich einige Schritte nach hinten, dann rannte ich davon. Noch ein letztes Mal schaute ich mir über die Schulter. Radu sprang auf einen Vampir zu, der über einer Frau kniete und auf sie einschlug. Mit aller Kraft riss er die blasse Gestalt an seinen Haaren zurück und rammte ihm ein Stück Holz in die Brust. „Viel Glück...“ murmelte ich leise und lief weiter die Straße entlang.

Schreie und erstickende Hilferufe durchdrangen den Abend, ein weinendes Kind saß am Straßenrand und einige Häuser brannten. Doch plötzlich schrie einer der Bogenschützen, die sich hoch oben auf der Stadtmauer versammelt hatten: „Die Armee, die riesige Skelettarmee ist hier!  Sie sind da um die Mauer einzureißen!“ So wie ich es mitbekommen konnte, verwendete das riesige Heer Belagerungsmaschinen und sie schleuderten Wurfgeschosse auf die Mauer, um sie zum Fall zu bringen.
„Unsere Stadt hat so viele tapfere und gute Kämpfer, doch leider ist ihre Zahl zu gering und sie sind einfach nicht stark genug, um der Wucht einer so riesigen Menge zu widerstehen. Und auch ich kann nichts tun. Würden die bösen Mächte erfahren, welche Fähigkeiten ich besitze, dann würden sie mich entweder sofort töten oder sie würden mich für ihre Zwecke missbrauchen. Ich kann noch nichts unternehmen. Noch nicht!“


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