Carries komische Werkstatt
  Eine unheimliche Entdeckung 2
 

Nach wenigen Minuten waren wir wieder in der Dorfmitte angekommen, und innerhalb dieser kurzen Zeit, war der Schneefall und auch der Wind stärker geworden. Es wirkte fast schon so, als ob wir mitten in einen Schneesturm geraten waren und ich sah dabei zu, wie die tief hängenden schwarzen Wolken den Himmel immer mehr bedeckten und wie die Sonne langsam hinter dem Dunkel verschwand.
Ich sah mich verwundert um, als das Auto plötzlich immer langsamer fuhr und allmählich zum Stillstand kam. Ich erblickte nicht weit von uns, dass zweistöckige Haus, vor dem wir gestern noch gestanden hatten. Aus dem Augenwinkel heraus, sah ich argwöhnisch zu Camilla und fragte mit leicht genervter Stimme: „Warum halten wir?“ Immer noch leicht zitternd, durch die beißende Kälte, verschränkte ich die Arme vor der Brust und ließ mich im Sitz etwas hinunter sinken. „Tut mir Leid, Fleur. Aber ich möchte bevor wir fahren, unbedingt in einem der Häuser gewesen sein!  Ich weiß, dass du so schnell wie möglich ins Hotel möchtest, aber es dauert auch bestimmt nicht lang. Ich beeile mich!“ sagte die Blonde murmelnd und warf mir einen flüchtigen Blick zu. Ich wollte etwas darauf erwidern und Cami dazu überreden, dass wir weiterfahren, doch dazu kam ich nicht, da sie flink aus dem Wagen stieg und zu dem Eingang des Hauses hastete. Kurz überlegte ich, ob ich ihr folgen sollte, doch mit einem Kopfschütteln schloss ich die Augen und spürte, wie es langsam aber sicher wärmer wurde. Der starke Wind schüttelte das Auto wild hin und her, und jedesmal wenn er es streifte, heulte er unheimlich auf. Durch die Fensterscheiben fällt mein Blick auf die Schneeflocken, die auf das Glas fielen und es langsam mit weiß bedeckten.

Seufzend sah ich immer wieder auf meine Armbanduhr, deren Zeiger immer weiter nach vorn ging. Mittlerweile war eine ganze halbe Stunde vergangen, in der ich ungeduldig auf die Blonde gewartet hatte. „Sie hatte doch gesagt, es dauert nicht lange!“ rief ich gereizt in die Stille und stieg wütend aus dem Wagen. Dann stampfte ich zu der Tür, die Camilla nur ein wenig angelehnt hatte.
Der Schnee auf den Dächern der Häuser schimmerte und funkelte wie ein Kristall. Mit jedem Schritt den ich tat, klebten schwere Klumpen aus Matsch und Schnee an meinen braunen Lederschuhen und es fühlte sich an, als würde ich mit kleinen Gewichten an den Füßen laufen. Ich starrte hinunter zu Erde, bis ich plötzlich ein lautes Poltern aus dem Haus hörte. Ich hob erschrocken den Kopf und versuchte durch die zum Teil zugenagelten Fenster etwas zu erkennen. Doch egal wie sehr ich mich bemühte, ich konnte einfach nichts sehen.

Mit einem leisen Knarzen, schob ich die angelehnte Tür einen Spalt weit auf und schlüpfte in das alte Haus. Sofort schlug mir ein bizarrer und beißender Geruch in die Nase, den ich nicht ganz zu ordnen konnte. Es roch nicht nur modrig, nein, da lag noch etwas anderes in der Luft. Ein säuerlicher und fleischiger Geruch, der mich ein wenig an verwestes Fleisch erinnerte, hatte sich hier eingenistet, und ließ eine unangenehme Übelkeit und einen starken Brechreiz in mir aufkommen. „Was riecht hier denn so seltsam!?“ fragte ich mich und hielt mir angeekelt den Handrücken vor den Mund.
Der alte Holzboden knarrte unter der Last meiner Schritte und ich ächzte im Takt dazu. An der Decke des Raumes hing eine schwarze Laterne, in der eine kleine Kerze auf und ab flackerte, und außer dem stetigen, leisen Quietschen des schlecht geölten Laternengriffs, einem leisen Poltern, das aus dem oberen Stock kam und meiner Schritte auf dem Holz, war alles still. Nur ab und zu konnte man den Wind um das Haus schrill pfeifen hören. Ich wunderte mich darüber, dass der Raum so sehr gepflegt war, es machte gar nicht den Anschein, als würde es schon seit Jahren über leer stehen. Der Boden war blitzeblank, abgesehen von den dreckigen, feuchten Spuren, die Camis und meine Schuhe auf ihm hinterlassen hatten. Die alte rote Stofftapete, sah recht neu aus, nur in vereinzelten Ecken löste sie sich von der Wand oder schimmelte durch die Feuchtigkeit sogar etwas. Außer ein paar Kerzenständern und Blumentöpfe, war der Raum allerdings leer.

Als das Poltern plötzlich lauter wurde, schreckte ich auf und folgte Camillas Fußspuren, die ihre nassen Schuhe hinterlassen hatten. Ich ging durch einen hohen Türrundbogen und landete in einem riesigen Flur, wo der Boden nun nicht mehr aus Holz, sondern mit schwarz grauen Marmorplatten ausgelegt war. Vor mir ragte eine lange Treppe hinauf in den zweiten Stock, und als ich die einzelnen Stufen mit meinen Augen abtastete, entdeckte ich viele kleine rote Spritzer, die bereits getrocknet waren und sich in das dunkelbraune Holz gefressen hatten.
„Ist das etwa!? Nein, dass kann nicht sein,... Es ist sicher nur irgendwelche Farbe!“ beruhige ich mich selbst und ging unsicher einige der Stufen hinauf, bis plötzlich wieder ein leises Geräusch zu hören war. Ich blieb stehen und schauderte zusammen. Es war alles so unheimlich hier und jetzt wo ich in diesem Haus stand, wäre es mir lieber gewesen, wenn ich im Wagen sitzen geblieben wäre. Doch ich musste nachsehen, warum Camilla noch nicht zurückgekehrt war.

Ein eiskalter Luftzug fegte durch den Fensterlosen Raum und ließ mich zittern. Ich vergrub meine Hände in der grauen Jackentasche und blickte mich unsicher um, als die Eingangstür aufging und mit einem lauten Knall gegen die Wand schlug. Es war nichts und niemand zu sehen, der Wind musste sie wohl bewegt haben. Ich hob frierend meine Schultern etwas an und wieder ging ich einige Treppenstufen hinauf.

„Camilla, kommst du bitte!? Lass uns fahren, sonst sind wir nachher noch komplett eingeschneit und kommen gar nicht mehr von hier weg!  Camilla?“ rief ich laut der Blonden zu, doch eine Antwort bekam ich nicht und so ging ich in den oberen Stock, wo der seltsame Geruch noch stärker wurde.

Oben empfing mich ein dunkler Flur, wo es so finster war, dass ich kaum sah wohin ich lief.

„Cami?“ rief ich ängstlich krächzend. „Wo bist du?“ Ich bekam keine Antwort und so blickte ich zögernd hinunter in den untersten Stock. Meine Augen gewöhnten sich nach einiger Zeit an die Dunkelheit und ich erspähte plötzlich eine Petroleumlampe, die auf einem kleinen Tisch gleich neben der Treppe stand. Achtlos stellte ich meine Handtasche, die ich unter meinen Arm geklemmt hatte, zur Seite und zünde die Lampe mit den daneben liegenden Streichhölzern an. Ich hielt die Lichtquelle etwas vor mein Gesicht, und erst jetzt bemerkte ich, wie lang der Flur eigentlich war. Links und rechts erstreckten sich mehrere alte und morsche Holztüren.
Mit schlotternden Beinen ging ich den knarrenden Gang entlang, wobei ich mir immer und immer wieder über die Schulter lugte, um auch wirklich sicher zu sein, dass niemand hinter mir war oder mir folgte.
„Warum habe ich nicht zuerst in den Räumen unten nachgesehen!?“ fragte ich mich leise, aber eine Antwort fand ich nicht darauf. Aus irgendeinem Grund, musste ich einfach als erstes hinauf gehen. Es war fast wie ein Zwang, irgendwie zog mich die Treppe an wie einen Magneten.

Ab und zu blieben dichte, alte Spinnweben an meiner Kleidung und in meinem Haar kleben, die ich angewidert von mir hinunter schlug. Zu meiner Überraschung schien es hier oben, nicht so reinlich zu sein wie unten und dieser schrecklicher Gestank wurde immer schlimmer. Während ich dem langen Flur folgte, rief ich ab und zu nach Camilla, von der ich jedoch jedes mal keine Antwort erhielt. Als ich fast am Ende des Korridors eine offene Tür entdecke, aus der ein matter Lichtstrahl schien, blieb ich stehen, bis plötzlich zwei kleine Mäuse an mir vorbei jagten
„Igitt, wie ekelhaft!“ schrie ich kurz auf, hielt dann aber wieder den Mund und schob die Türe mit einem leisen knarrzen auf.

Schließlich stand ich in einem Zimmer, das voll gestopft mit altem Gerümpel war.
„Wer immer auch hier leben mag, der Jenige scheint ja nicht sehr ordnungsliebend zu sein.“
Durch die Ritzen des mit Holzbrettern zugenagelten Fensters, strahlte schwaches Licht von außen hinein. Kurz ließ ich meinen Blick über die alten Sachen schweifen, bis ich plötzlich ein kleines silbern glänzendes Kästchen mit vielen hübschen Verzierungen entdeckte. Ihr Glanz zog mich an, und ganz langsam wollte ich sie öffnen. Doch plötzlich wurde ich unerwartet von einem hellen Licht geblendet. Vor Schreck ließ ich die Petroleumlampe zum Boden fallen, die auch noch zu meinem Pech sofort erlischte.

„Was machst du denn hier, Fleur? Ich dachte du wartest draußen im Wagen...,“ flüsterte Cami leise und leuchtete mir mit einer Taschenlampe ins Gesicht, „Wahnsinn, hier liegt ja noch mehr Krempel!“ „Noch mehr?“ fragte ich unsicher und ließ meine Augen über die vielen Sachen gleiten. Meine Freundin nickte heftig mit dem Kopf und ging langsam näher an ein Regal heran, das beladen mit Stofftieren war. „Ja, die unteren Zimmer sind auch alle mit Kram voll. Etwa neunzig paar Schuhe, von Frauen, Kindern und Männern habe ich dort gefunden. Außerdem Schmuck, Campingutensilien, Spielzeug und viele andere Sachen.“ Camilla machte eine kurze Pause und sprach dann weiter: „Also wenn du mich fragst, ich glaube hier haust irgendein perverser Spinner, oder eine arme Großfamilie.“ Die Taschenlampe, die sie sich dabei unter den Kopf hielt, verlieh ihr eine geisterhafte Erscheinung und half ihr dabei, eine unheimliche Atmosphäre aufzubauen, damit sie amüsiert in meine weit aufgerissenen Augen sehen konnte.
Seufzend lehnte ich mich gegen einen Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust, dabei sah ich die Blonde verärgert an. „Kannst du mir eigentlich mal verraten, warum du mir vorhin nicht geantwortet hast, als ich nach dir gerufen habe? Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, weil du so lange weggeblieben bist, obwohl du dir ja nur kurz das Haus ansehen wolltest...“ Camilla legte ihren Kopf leicht in den Nacken und tat so, als ob sie überlegen würde. „Du hast nach mir gerufen? Ich habe dich nicht gehört,“ begann sie vergnügt zu flüstern, „und ja, ich weiß, ich wollte dich nicht lange warten lassen, aber es war fast schon wie ein Zwang, den Müll hier zu durchwühlen.“ Plötzlich fing die kleine Taschenlampe in Camis Hand an zu flackern. Das Licht schien sich selbstständig gemacht zu haben und unterbrach jedes mal für wenige Sekunden. „Ob die Batterie leer ist?“ gluckste die Blonde und schlug sie ab und zu gegen ihren Schenkel, bis die Lampe komplett den Geist aufgegeben hatte. Auf einmal konnte man schon von weitem leise Motorgeräusche hören, und ich tastete mich rasch zu dem zugenagelten Fenster vorwärts, durch dessen schmale Ritzen ich lugte. Ich konnte jedoch erst ein Auto sehen, als es um die Ecke der nahegelegenen Kirche gebogen war.

Erschrocken wirbelte ich herum und starrte zu Camilla, deren Umrisse ich im matten Licht erkennen konnte. „Da kommt ein Auto!“ rief ich tonlos, während ich mir die Hand vor den Mund schlug. „Wer sitzt denn alles darin?,“ fragte die Blonde und sprach dann weiter, „Vielleicht sind es ja die Personen oder die Person, die hier lebt!  Komm, wir gehen besser...“ Ich konnte sehen, wie Cami ihre Hand nach mir ausstreckte und so griff ich nach ihr. Hastig stolperten wir zurück nach draußen, wo der Schnee bereits komplett den Boden bedeckt hatte und wo das seltsame rote Auto, mit seinem recht nett aussehenden Fahrer hielt.



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