Carries komische Werkstatt
  Ohne Ausweg? 5
 


Nach einiger Zeit des Umherirrens, stießen Adan und ich schließlich auf eine einsame und verlassene Holzhütte, die mitten im dicht bewachsenen Wald stand. Erschöpft blieben wir stehen, und lehnten uns mit dem Rücken gegen die von Moos befallene Wand. Völlig außer Atem, ließ er meine Hand los - die er nach wenigen Momenten und nach kurzem Zögern wieder umschloss - und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Komm, wir verstecken uns im Haus und verriegeln die Tür.“ flüsterte er leise und kleine weiße Wölkchen stiegen vor seinem Gesicht empor. „Aber wird er uns nicht genau hier vermuten?“ fragte ich unsicher und stieß mich ruckartig von der Hauswand ab. Der Braunhaarige zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber selbst wenn, wir sperren die Tür ab und dann kann er nicht rein kommen. Irgendwann wird er dann sicher abhauen!“ „Also ich weiß nicht...“ „Vertrau mir!  Komm mit rein.“ „Okay, in Ordnung. Lass uns gehen.“ Mit einem leisen Seufzen, folgte ich Adan apathisch in die kleine Hütte. Der alte Holzboden knarrte bedrohlich unter unseren Füßen, als wir den engen Raum betraten. Angestrengt sah ich mich um. Es war Stockfinster und ich konnte nur schemenhaft die Konturen einiger alter Möbel erkennen. Ein modriger Geruch lag in der Luft und es war feucht. Der Wind zog durch jede einzelne Ritze, und ließ mich erzittern. Mein braunhaariger Begleiter, schloss vorsichtig die Tür hinter sich und sah sich dann ebenfalls kurz um. „Die Tür hat keinen Riegel zum verschließen. Am besten wir stellen den kleinen Schrank dort hinten vor die Tür.“ wisperte er leise und zeigte mit dem Zeigefinger geradeaus auf ein schmales aber langes Spind. Nachdem wir den Eingang versperrt hatten, kauerte ich mich furchtsam in die dunkelste Ecke. Ich hatte ein ungutes Gefühl. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn wir weiter gerannt wären, denn hier drinnen saßen wir in der Falle. Draußen im Wald hätten wir bessere Möglichkeiten, um uns zu verstecken und im Notfall zu flüchten.
„Glaubst du, er ist uns gefolgt?“ fragte Adan mit rauer Stimme, und ich konnte sehen, dass er in meine Richtung starrte. „Ich weiß nicht. Aber ich hoffe nicht.“ antwortete ich ihm und hob zögerlich den Kopf.
Die Zeit, die wir hier verbrachten, kam mir vor, wie eine halbe Ewigkeit. Doch ich konnte nicht genau sagen, wie lange wir hier schon saßen und aufgeregt vor uns hin lauschten. Langsam aber sicher wurde ich müde und meine Augenlider wurden schwer. „Ich muss wach bleiben!“ dachte ich und rieb mir erschöpft die Augen, die seltsam brannten. Noch lange Zeit grübelte ich über die Worte des verrückten Killers nach. „Er möchte mir etwas heimzahlen und sich rächen, doch wer ist er?“ fragte ich mich selbst. Doch egal wie lange ich darüber nachdachte, mir kam einfach nicht in den Sinn, wer mir etwas antun wöllte. Viele verwirrende Gedanken schwirrten durch meinen Kopf und plötzlich viel mir etwas schreckliches ein.
„Adan?“ brachte ich entsetzt hervor und beobachtete starr seinen verschwommenen Schatten. „Ja, was ist?“ „Er... Er weiß wo wir sind!“ „Wie kommst du darauf?“ „Na, denk doch mal nach!  Wir haben unsere Fußspuren im Schnee hinterlassen und denen brauchte er einfach nur folgen!  Ich bin mir sicher, dass er schon draußen auf uns wartet.“ wisperte ich und meine Stimme klang völlig ausdruckslos.

„Verdammt, an die Fußabdrücke habe ich gar nicht gedacht!  Wie konnte ich das vergessen? Wie konnte mir das nur entgehen?“ murmelte er schockiert und ich konnte sehen, wie er hastig aufsprang und sich bestürzt umsah. „Wir müssen hier raus, und zwar schnell!“ An seiner Stimme konnte man deutlich hören, dass mit zunehmender Erschöpfung, die Panik die Überhand über ihn gewann. Nun erhob ich mich ebenfalls, und ging auf ihn zu. Wild zerrte ich an seiner Jacke und brachte ihn dazu, endlich still zu sein und aufzuhören, wie ein aufgescheuchtes Huhn durch den kleinen Raum zu wandern. „Hör zu!  Ich habe genauso große Angst wie du, aber es bringt nichts, wenn wir uns jetzt Verrückt machen und der Panik total verfallen!  Wir müssen ruhig bleiben und uns etwas ausdenken, wie wir von hier verschwinden können.“ „Aber es gibt hier nur einen Ausgang, und vor dem wartet er sicher schon. Sollen wir ihm etwa genau vor die Flinte laufen?“ fragte Adan hoffnungslos und vergrub sein Gesicht verzweifelt in den Händen. „Sicher nicht!  Uns wird schon etwas einfallen. Aber es ist wichtig, dass wir ruhig bleiben und uns konzentrieren.“
Nachdem sich der Braunhaarige wieder etwas gefangen hatte und wir uns zusammen einen Plan ausdachten, war plötzlich ein leises Poltern zu hören. Erschrocken fuhren wir herum und starrten entgeistert in die Dunkelheit. „Was war das?“ fragte ich flüsternd, als erneut ein kaum hörbares Geräusch ertönte. „Es kommt aus dem Schrank dahinten!“ antwortete mein Begleiter und stellte sich schützend vor mich. Während er langsam nach seiner Taschenlampe griff, näherte er sich auf Zehenspitzen dem viereckigen großen Kasten. Ängstlich folgte ich ihm und lugte über seine Schulter, wobei sich meine Fingernägel tief in den Stoff seines Anoraks bohrten. Aufgeregt knipste er das Licht an, und riss die Türen des Kleiderschrankes auf.
Ein junges Mädchen, das etwa in meinem Alter war, lag zusammengekauert in dem engen Schrank und sah uns mit Tränen gefüllten Augen an. Sie hatte langes dunkelblondes Haar und ihre Augen leuchteten in einem hellen grün, als sie geradewegs in das Licht der Lampe sah. Als ich meinen Blick weiter über den Körper der Fremden gleiten ließ, bemerkte ich, dass sie eine riesige Wunde am linken Oberschenkel hatte.
„Helft mir!  Bitte, bitte helft mir!“ flehte sie und streckte kraftlos ihre Hände nach uns aus. Entsetzt schlug ich die Hände vor meinen Mund. „Sie ist schwer verletzt!  Wir müssen ihr helfen!“ rief ich besorgt und schaute aus dem Augenwinkel heraus zu Adan, der mich allem Anschein nach nicht gehört hatte. Denn er starrte noch immer fassungslos auf das arme Mädchen und beachtete meine Worte nicht weiter. „Oh mein Gott!“ brachte er plötzlich hervor und legte eine Hand auf die Schulter der Verletzten. „Cazie, bist du es?“ fragte der Braunhaarige starr und kniete sich vor den Schrank auf den Boden, wo sich schon eine Menge Blut gesammelt hatte. Auf die Frage, die er ihr stelle, nickte die junge Frau nur zaghaft und legte den Kopf gegen das harte Holz. „Kennst du sie?“ wollte ich wissen, und setzte mich neben ihn. „Ja, sie ist eine gute Freundin meiner Schwester...“

Plötzlich hob Adan mit weit aufgerissenen Augen den Kopf, und es schien mir fast so, als ob ihm etwas wichtiges eingefallen wäre. Dann wanderte sein Blick zu der Blonden und er griff ruckartig nach ihren Schultern. „Wo ist meine Schwester?!  Los, rede schon Cazie!“ schrie er ihr jäh ins Gesicht und schüttelte sie wild hin und her, sodass ihr Kopf immer wieder gegen das harte Holz des Schranks schlug. Vor Schmerzen stöhnte das blonde Mädchen kurz auf und sie hatte große Mühe, ihre Augen geöffnet zu halten. Für einen Moment dachte ich, sie würde jeden Augenblick das Bewusstsein verlieren. „Was ist mit ihr? Sag es mir, sofort!“ „Was ist in dich gefahren?“ kreischte ich und versuchte Cazie aus seinem Griff zu befreien. „Spinnst du?!  Siehst du nicht, dass sie schwer verletzt ist? Wir müssen schnell ihre Wunde verbinden und warten, bis sie wieder halbwegs ansprechbar ist!“ Ich warf dem Braunhaarigen einen mahnenden Blick zu, und funkelte ihn wütend an. Erschrocken sah er mich an und zog sein Hände wieder ganz langsam zu sich heran. Er schüttelte schockiert den Kopf und ich war mich sicher, dass er selbst nicht glauben konnte, was er soeben getan hatte. „Wir müssen uns erstmal ihre Wunde am Bein ansehen und verarzten, so gut es geht. Dann werden wir uns ausdenken, wie wir von hier weg kommen. Mit einer verletzten Person, die so schwach ist, wie sie, wird das sicher nicht so einfach. Aber wir werden es ganz sicher schaffen.“ murmelte ich leise vor mich hin. Doch irgendwie glaubte ich selbst nicht an das, was ich da gesagt hatte. Ich atmete die Luft scharf ein, als ich in der Dunkelheit vor mich hin starrte, und nach einer Unterlage für Cazie suchte. Denn ich wollte sie auf keinen Fall, auf den kalten feuchten Boden legen. Es reichte schon, dass sie verletzt war und viel Blut verloren hatte. Eine Erkältung oder gar ein starkes Fieber könnte sie jetzt sicher nicht gebrauchen. Schließlich fand ich in einer dunklen Ecke, einen alten verdrecken Teppich, der sich schon fast in kleine Stofffetzen auflöste. Zwar war dieser etwas Klamm, aber es würde schon gehen. Langsam zog ich die Matte in Richtung Schrank, und deutete Adan an, dass er das Mädchen darauf legen sollte. Vorsichtig legte er ihre Arme um seinen Hals, dann legte er seine um ihren Rücken und unter ihre Kniekehlen. Anschließend hob er sie hoch und kam auf mich zu. „Sei ja vorsichtig!  Tu ihr nicht weh!“ rief ich besorgt, und beobachtete ihn mit kritischem Blick. „Keine Sorge, ich passe schon auf.“ antwortete er mir, als er Cazie langsam auf den langen Läufer legte.
Aber gerade, als wir uns ihre Wunde anschauen und verbinden wollten, war plötzlich ein lautes Geräusch zu hören, und wir konnten sehen, wie der Schrank vor dem Eingang hin und her schaukelte. Jemand rüttelte mit gewaltiger Kraft an der Tür und versuchte diese aufzubrechen. Erschrocken sah ich Adan an, der sich fassungslos mit dem Rücken gegen das Spind vor der Tür geworfen hatte.
„Los, du musst mir helfen!  Allein schaff ich es nicht, die Tür zu versperren!“

Hastig sprang ich auf, und eilte Adan zur Hilfe. So fest wie ich nur konnte, presste ich meine Schulter gegen den alten Schrank und suchte mit den Händen nach Halt. Ein leiser Schrei entwich meiner trockenen Kehle, als der Verrückte immer wilder an der Tür rüttelte, und der Schrank beinahe ins Kippen geriet. Ich war wirklich erstaunt darüber, welche Kraft dieser Killer besaß. Wir waren zu zweit, und hatten große Schwierigkeiten damit, den Eingang verschlossen zu halten. Gerade, als ich wegen eines heftigen Stoßes zu Boden geschleudert und schmerzhaft mit dem Kopf auf der Erde aufprallte, wurde es ruhig. Doch etwas zu ruhig für meinen Geschmack...

„Was ist los? Ob er aufgibt?“ fragte Adan, der seinen Körper noch immer fest gegen das Spind drückte. Selbstsicher schüttelte ich mit dem Kopf, und legte mir meine rechte Hand in den Nacken. „Nein, das glaube ich nicht. Er hat sicherlich etwas vor!  Nur was?“ Der Braunhaarige sah mich unsicher an, während er gespannt in die Stille lauschte. Ich tat es ihm gleich, und versuchte ebenfalls zu hören, was der Maskierte draußen trieb. Doch nur wenn man genau hinhorchte, konnte man um die ganze Hütte herum seltsame Geräusche vernehmen.
„Was tut er?“ flüsterte Adan, und sah mich fragend an. Langsam aber sicher wurde meine Nervosität unerträglich und ich hatte ein ungutes Gefühl. Alles was man hörte war, wie er um das Häuschen herum stampfte. Gab es hier noch einen weiteren Eingang, oder wollte er nur den Anschein erwecken, dass er aufgeben und verschwinden würde?

Einige Minuten waren bereits vergangen, als mir ein seltsam brennender Geruch in die Nase stieg. Obwohl mir der Gestank bekannt vorkam, konnte ich ihn nicht zu ordnen. „Riechst du das auch, Adan?“ wollte ich wissen, und sah in stirnrunzelnd an. Er schien für einen kurzen Moment zu überlegen, bis er schließlich den Kopf erschrocken hob und mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. „Da... Das ist Benzin!“ rief er, während er mit der Faust gegen die Wand schlug. Jetzt wurde mir alles klar. Gerade als ich etwas erwidern wollte, war plötzlich ein erstickter Knall zu hören, dem unmittelbar knisternde Funken folgten. Ehe wir uns versahen, wehten uns dicke graue Rauchschwaden entgegen. Panisch warf ich mich zu Boden, und hielt mir den Ärmel der Jacke vor Mund und Nase.
„Der verdammte Kerl will uns ausräuchern!“

Der beißende Qualm brannte schmerzvoll in meinen Augen und ich bemerkte, wie Tränen sich einen Weg über meine Wangen bahnten. Die stinkenden Brodemschwaden wurden immer dichter, und allmählich nahmen sie mir die Sicht. Das Feuer breitete sich rasant schnell aus, und das Knistern und Rauschen, hämmerte sich unangenehm in meine Ohren. Plötzlich konnte ich Cazie heiser und rau Husten hören. In dieser beängstigenden Situation, hatte ich sie völlig vergessen, da ich voll und ganz damit beschäftigt war, nicht in Panik auszubrechen und wild um mich zu schlagen. Langsam mit der rechten Hand vor mich hintastend, kroch ich vorwärts in ihre Richtung. Als ich endlich bei der Blonden angekommen war - die erschöpft nach Atem rang – nahm ich sie behutsam in meine Arme und zog ihr ihren dünnen Pulli übers Gesicht.
„Hab keine Angst, wir werden nicht sterben!“ hauchte ich ihr mutmachend zu und sah mich angestrengt um. Um uns herum war alles grau in grau und mein Blick trübte sich immer mehr. Nicht nur der Rauch, sondern auch die Tränen und die Hitze – die langsam aber sicher unerträglich wurde – trugen dabei zu, dass meine geröteten Augen den Geist aufgaben.
Die Gluthitze und die leuchtenden umher sprühenden Funken, schmerzten qualvoll auf meiner Haut, und meine Haare rochen angesengt. Ich vergrub mein Gesicht hoffnungslos in Cazies Haarpracht, und ein leises Wimmern entsprang meinem Rachen, der mittlerweile trockener als jeder Wüstensand war.
„Verdammt!“ flüsterte ich verzweifelt. Ich war mir sicher, dass hier nun unser Ende gekommen war. Es gab keinen anderen Ausweg, als die vom Schrank versperrte Tür. Aber es wäre glatter Selbstmord, durch diesen Ausgang zu gehen. Der Killer beabsichtigte nämlich, dass wir durch das Feuer in Panik ausbrechen und hinaus ins Freie laufen würden. „Sein Plan könnte aufgehen.“ dachte ich mir resigniert und drückte Cazie noch etwas fester an mich. „Wenn der Rauch und die Hitze des Feuers noch schlimmer werden, dann wird mein Hirn aussetzten...“
Plötzlich spürte ich, wie jemand meine schmerzende Schulter berührte und mich etwas nach hinten zog. Ich schrie vor Pein und Angst laut auf, während ich meinen angewinkelten Ellbogen nach hinten schnellen ließ. „Verschwinde!“ kreischte ich aufgelöst, als ich meinen Kopf zur Seite drehte, um mir über die Schulter zu schauen. „Ich bin es doch nur.“ konnte ich Adans Stimmte hören und ich beobachtete unter Tränen, seine verschwommenen Konturen. „Ich habe vielleicht einen Ausgang entdeckt. Allerdings ist dieser mit einem Holzbrett zugenagelt. Du musst mir helfen!“

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