Carries komische Werkstatt
  Auf der Flucht 5
 


Nachdem mein Bruder endgültig gegangen war, zerrte Camilla Adan lieblos und grob an den Beinen über den Boden, hinein in das dunkle Zimmer. „Nun denn ihr zwei hübschen, macht keinen Unfug und genießt noch die Zeit, die ihr zusammen habt. Ich werde bald wiederkommen und euch noch ein bisschen mit meiner Anwesenheit beglücken, bevor wir euch von euren Qualen erlösen.“ kicherte die Blonde hämisch, während sie von Adan abließ und anschließend zur Zimmertür ging.
Wütend sah ich ihr nach. Im Augenblick empfand ich ihr gegenüber mehr Hass, als meinem Bruder, denn immerhin war sie diejenige, die mir all die Jahre etwas vorgespielt hatte. Auch wenn mein Bruder sie damit beauftragt hatte und hinter allem steckte, so war all mein Zorn auf sie gerichtet. Ich glaubte immer, wie seien wirklich Freunde und ich ärgerte mich darüber, dass ich nie bemerkte, was ihre tatsächlichen Absichten waren.
„Warum tust du das? Warum zum Teufel hilfst du ihm dabei? Was hast du davon, wenn du solche Gräueltaten für ihn ausübst und warum hasst du mich ebenso sehr wie es mein Bruder tut? Ich habe dich wirklich gemocht und dich als meine Freundin angesehen!  Wir haben so viele schöne Dinge gemeinsam erlebt, hast du das alles schon vergessen? Was habe ich dir bitte getan?“ fragte ich Camilla aufgebracht und ballte meine Hände zu Fäusten, sodass meine Knöchel weiß hervor traten und meine Knochen leise knackten. Die Blonde schnaubte verächtlich und verdrehte genervt die Augen. „Warum ich das alles auf mich nehme und was ich davon habe, willst du wissen? Nun, ich liebe deinen Bruder über alles und ich würde ziemlich weit für ihn gehen!  Wie du siehst schrecke ich nicht einmal vor Mord zurück, ich tue das, was er von mir verlangt, um als Gegenleistung seine Liebe und Zuneigung zu bekommen. Und nein, ich hasse dich nicht, du bist mir vielmehr gleichgültig und es ist mir egal, was mit dir geschieht. Unsere gemeinsame Zeit habe ich nie als Schön empfunden, es war eher eine Last, dich immer ertragen und aufpassen zu müssen, dass du mich nicht manipulierst. Ich wollte nur dein Vertrauen gewinnen und dich mit Fragen löchern, mehr nicht.“ Entsetzt weiteten sich meine Augen und für wenige Sekunden blieb mir die Luft weg. Obwohl ich mit solchen Antworten gerechnet hatte, war ich trotzdem schockiert darüber, dies aus ihrem Mund zu hören. Vielleicht war ich so fassungslos, weil in mir noch ein kleiner Funke Hoffnung schimmerte, dass Camilla nicht mir, sondern meinem Bruder etwas vorlog. Doch nun war auch der kleinste Hoffnungsschimmer erloschen. „Warum diese dreckige Schmierenkomödie? Die ganze Schauspielerei hättest du dir auch sparen können!  Ihr hättet mich schon längst töten können, ihr hattet oft die Gelegenheiten dazu gehabt, doch trotzdem habt ihr diese nicht genutzt. Warum all der Aufwand?“ „Wir wollten dich noch ein bisschen zappeln lassen und dir zeigen, was wirkliche Angst bedeutet. Eigentlich wollte ich es schnell mit dir zu Ende bringen, denn immerhin war ich diejenige, die auf dich geschossen hat, aber dein Bruder wollte noch ein bisschen seinen Spaß mit dir und deinen Freunden haben. Ach ja, und wenn ich schon einmal bei dem Thema 'Freunde' bin; diese Kleine, Cazie, die hat sich beim Sturz vom Abhang offensichtlich ihr armes Genick gebrochen. Schade für sie, sie war eigentlich ganz nett!“ lachte Camilla und riss plötzlich die Zimmertür zu.
Wie ein Blitz brach diese Nachricht über mich hinein. Ich konnte es einfach nicht glauben und immer mehr kam ich mir wie in einem schlechten Film vor. Cazie war tatsächlich ein liebes Mädchen, dass niemandem etwas zu leide tat, sie hatte es nicht verdient, so zu sterben!  Zitternd vor Wut sprang ich auf und wollte zur Tür rennen, doch die Fesseln an meinen Füßen hinderten mich daran und zwangen mich in die Knie.
„Ihr werdet damit nicht durchkommen!  Ihr werdet entweder im Gefängnis oder in der Irrenanstalt landen, ihr Psychopathen!“

Aufgelöst stützte ich mich auf allen Vieren ab und meine Fingernägel bohrten sich tief in das alte Holzparkett. Mein Unterkiefer schlotterte wild vor Wut, Verzweiflung und Trauer. Ich hatte gehofft, wir hätten alle gemeinsam fliehen können – Cazie, Adan und ich. Den schlimmsten Fehler den wir machten, war es, uns zu trennen und Adan allein Hilfe holen zu lassen.
„Wenn wir zusammengeblieben wären, befänden wir uns jetzt vielleicht nicht in dieser Situation...“ murmelte ich leise und ließ mich zur Seite auf den Boden fallen. Ich streckte meine Arme und Beine weit von mir, während meine Haare in dicken, feuchten Strähnen in mein Gesicht baumelten. „Wenn wir in der Gruppe geblieben wären, hätten sie uns vielleicht sofort getötet, da wir in der Überzahl waren. Aber es bringt nichts, wenn wir uns jetzt über vergangene Fehler ärgern. Wir sind jetzt hier und alles was zählt ist, dass wir noch am Leben sind und das Ruder noch immer an uns reißen können.“ antwortete Adan mit rauer Stimme und setzte sich auf. Für einen Augenblick sah er sich in dem engen Raum um, doch dann blieb sein Blick an mir hängen. Seufzend schüttelte er seinen Kopf, bevor er fragte: „Du machst dir Vorwürfe, nicht wahr?“ Überrascht musterte ich den Langhaarigen, der mich mit seinen Augen durchdringlich ansah. War es mir etwa so sehr anzusehen, dass mich Schuldgefühle plagten?
Den Tränen nahe, kaute ich auf meiner Unterlippe herum und nickte auf seine Frage hin nur. Ich brachte es einfach nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass ich daran Schuld war, dass diese zwei Irren nun hier herum liefen und Leute abschlachteten. Was würde er von mir denken, wenn ich ihm die Wahrheit sagen würde? Wollte er dann überhaupt noch etwas mit mir zu tun haben?
„Das, was ich jetzt sage, wird wohl nichts an deinen Gefühlen ändern, aber meiner Meinung nach brauchst du dich nicht für all das hier Schuldig zu fühlen!  Das blonde Miststück und ich konnten vorhin euer Gespräch mitanhören, daher weiß ich, dass dieser durchgedrehte Kerl dein Bruder ist und dir an allem die Schuld gibt, aber für mich sieht es eher so aus, als wollte er einfach nur einen Schuldigen für seine Taten suchen!  Sicher war das damals für ihn eine schwere Zeit und er wollte mit allen Mitteln eure Aufmerksamkeit und sein verdientes Anerkennen, aber deswegen muss man doch nicht gleich einen Mord begehen und wortwörtlich Amok laufen!  Dein Bruder hat eindeutig den falschen Weg eingeschlagen, es hätte auch andere Lösungen für sein Problem gegeben, also mach dich nicht verrückt!  Ich weiß nicht, was damals wirklich in eurer Familie vorging, aber ich glaube nicht, dass ihr ihm absichtlich weh tun wolltet und wer weiß, wie viele Dinge er sich davon bloß eingebildet hat!?“ Nun richtete auch ich mich in eine sitzende Position auf und ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen. Ich war im dankbar dafür, dass er dies sagte und so dachte, aber Adan hatte leicht reden. Er steckte immerhin nicht in meiner Haut!  Trotzdem beruhigte es mich, dass er offensichtlich auf meiner Seite stand.
„Danke...“ brachte ich zögerlich über die Lippen und warf ihm ein verbundenes Lächeln zu. Adan schnaubte grinsend und schüttelte erneut mit dem Kopf. „Du brauchst dich nicht bei mir bedanken, es ist einfach meine Meinung und egal was passiert, ich stehe voll hinter dir. Aber ich habe da noch eine kleine Frage an dich, die wirklich wichtig ist!  Wie sehr liegen dir dein Bruder und deine Freundin noch am Herzen? Wenn wir hier raus wollen ist es wichtig, dass du nicht zögerst, ihnen eins überzubraten oder sie im Notfall sogar... zu töten. Dir muss klar sein, dass wir es hier mit zwei Irren zu tun haben, die vor nichts zu zurückschrecken!  Wenn wir nicht vor ihnen handeln, befördern sie uns sofort ins Jenseits!  Sie sind nicht mehr die, die du einst kanntest!“

Unsicher zupfte ich mit den Fingern an meiner vom Sturz verdreckten Hose und überlegte einen Moment lang, was ich Adan antworten sollte. Ich war mir selbst nicht einmal sicher, wie ich im Ernstfall handeln würde und ob ich es tatsächlich fertig bringen könnte, ihnen etwas zu tun, auch wenn ich im Augenblick mehr Hass und Abscheu den beiden gegenüber empfand. Ich hatte einfach schon immer Skrupel davor gehabt, jemandem Gewalt anzutun, und obwohl sie schon so viele Menschenleben ausradiert hatten, war es mir scheinbar noch immer nicht völlig bewusst, dass sie es wirklich ernst meinten.
„Ich weiß es nicht genau, Adan. Meine Gedanken und Gefühle überschlagen sich förmlich und ich habe einfach keine Ahnung, was ich überhaupt noch denken soll!  Auf der einen Seite habe ich nicht mehr viel für sie übrig, doch auf der anderen Seite ist in mir noch etwas, was mich zurückhält zu glauben, dass sie uns wirklich töten wollen. Irgendwie ist in meinem Kopf noch der Gedanke, dass sie sich bloß einen Scherz erlaubt haben und sich zusammen mit den 'Toten' im Nebenzimmer ins Fäustchen lachen, da wir es ihnen tatsächlich abgekauft haben. Ich denke, wenn mein Leben davon abhinge, würde ich wohl aus dem Affekt heraus handeln, aber ich weiß nicht so recht, was ich bei vollem Bewusstsein tun würde.“ murmelte ich leise und warf dem Braunhaarigen einen flüchtigen Blick zu. „Ich kann das verstehen, denn für mich wirkt das alles hier auch surreal, aber das ist es nicht und wir sind hier auch in keinem Film oder sonst etwas!  Die haben da draußen unzählige Menschen getötet und uns geht es auch bald an den Kragen, das musst du endlich begreifen!  Wenn wir hier raus wollen, und ich will hier raus, dann müssen wir uns einen guten Plan überlegen und wenn es hart auf hart kommt, müssen wir blitzschnell reagieren, ansonsten wars das für uns.“

Missmutig starrte ich an die kahle Wand, die nicht einmal ein Stückchen Tapete, geschweige denn einen Anstrich besaß, und dachte immer wieder darüber nach, wie wir unbemerkt von hier verschwinden könnten. Es war mir völlig klar, dass wir einen bestimmten Moment zur Flucht nutzen mussten - einen Moment, in dem Camilla und mein Bruder völlig abgelenkt waren.
Knurrend zerrte ich an meinen Fesseln, während die Zahnräder in meinem Gehirn auf Hochtouren liefen und nach einer Lösung suchend, vernahm ich plötzlich die Stimmen unserer Peiniger. Ich verstand kein Wort von dem was sie sagten, aber sie schienen sich angeregt zu Unterhalten, denn aus ihren Stimmen konnte man deutlich die Aufregung und Anspannung heraushören. Während ich weiterhin stumm versuchte ihren Gesprächsfetzen zu folgen und sie zu deuten, machte es in meinem Kopf plötzlich 'Klick'. Jetzt in diesem Augenblick war unsere vielleicht beste Gelegenheit gekommen zu verschwinden, denn die kaltblütigen Killer waren völlig abgelenkt und ahnungslos, vielleicht würden sie erst viel später unsere Flucht bemerken.
Selbstsicher blickte ich zu Adan, der nun ebenfalls an seinen Fesseln hantierte und versuchte, diese zu lockern. „Wenn du einen Fluchtplan hast, dann spuck ihn jetzt aus, denn eine solche Gelegenheit bekommen wir vielleicht nie wieder!“ grinste ich, während der Braunhaarige verdattert seinen Blick hob.

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